■ Bebauungsregeln Pariser Platz: Berliner Nostalgie
Bausenator Wolfgang Nagel hat mit populistischem Spürsinn für das Nostalgische wieder einmal, diesmal am Pariser Platz, ins Schwarze getroffen. Berlins liebstes Kind und weltläufiges Symbol für den Kalten Krieg, so hieß es bis gestern, soll rekonstruiert werden. Kritisch. Gut, dachten wir, an dieser Stelle ist nichts dagegen einzuwenden, denn das kulissenhafte ÖPNV-und-Taxen-Tor braucht wieder eine Fassung: quadratisch, praktisch, gut. Die zukünftigen Botschaften Englands, Frankreichs und der USA im typischen Berliner Buletten-Look – wer könnte da nicht lachen.
Doch es ist zum Weinen, was da wieder unter kritischer Rekonstruktion verstanden wird. Mit seinen sechs „konservativen Gestaltungsregeln“ als rigide Vorgaben für den Wiederaufbau des Pariser Platzes schnürt Nagel den Ort in eine biedermeierliche Fassung, die nur sehnsüchtigen Altberlinern gefallen kann. Und die sind derzeit am Drücker. Wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten sollen Höhe, Maße, Farbe, Form und Bedeutung wieder einziehen. Etwas moderne Architektur könne da schon drin vorkommen, meint der Bausenator zur Beruhigung. Sie muß nur historisch aussehen.
An die veränderte Fortschreibung der historischen Strukturen, gemeinhin unter dem Begriff der „Kritischen Rekonstruktion“ bekannt, denkt er hingegen nicht. Die Gestaltungsregeln sind nicht nur populistisch. Schlimmer, sie sind Angststrategien. Nicht nur gegen Investoren, sondern gegen die Architektur und die Baumeister des Modernen, Zeitgemäßen, Leichten, Heiteren, Spielerischen. Mit den steinernen Vorschriften ignoriert Nagel nicht nur den Anspruch der modernen Architektur. Denn an dieser Stelle paßt sie ihm nicht ins politische Konzept. Ein Pappschloß ist da leichter zu ertragen. Rolf Lautenschläger
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