Berliner Nahverkehr: S-Bahn gönnt sich noch ein paar Viertele
S-Bahn kündigt Schritte zur Normalität an und jubelt über jeden Viertelzug, der wieder fährt.
S-Bahn-Chef müsste man sein. Oder Verkehrssenatorin. Denn das aller größte Chaos im Nahverkehr ist vorbei. Nun ist jeder Zug, den der Weg zurück auf die Gleise findet, eine gute Nachricht. 270 so genannte Viertelzüge werden ab Mittwoch unterwegs sein. Derzeit sind es noch 229. Das ist das Ergebnis des dritten so genannten S-Bahn-Gipfels, bei dem Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Montag mit Vertretern von Deutscher Bahn, BVG und Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) die Bewältigung des S-Bahn-Chaos beratschlagt hat.
Die S-Bahn fährt seit Wochen nur nach einem Notplan, da nach einem Radscheibenbruch im Mai auf Anordnung des Eisenbahn-Bundesamtes fast der gesamte Fuhrpark an Rädern und Achsen überprüft werden muss. Zwar laufe der Verkehr auch weiterhin auf niedrigem Niveau, so VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz am Montag, aber immerhin sei die Lage stabil.
Konkret soll ab Mittwoch die S1 auf der Nord-Süd-Strecke wieder nach Potsdam fahren. Die war wegen Bauarbeiten unterbrochen. Der Fahrplanwechsel werde im Vorgriff auf die am Samstag beginnende Leichtathletik-WM im Olympiastadion vorgenommen, erklärte der neue S-Bahn Chef Peter Buchner. Zum Sportevent würden alle zehn Minuten Züge zwischen Westkreuz und Stadion fahre. Und zur Not gibt es noch die U-Bahn. "Damit nichts passiert, wird zur WM auf der U 2 verstärkt gefahren", kündigte BVG-Chef Andreas Sturmowski an.
Gegen Überraschungen ist aber nicht einmal die neue S-Bahn-Führung gefeit. So musste Buchner feststellen, dass bei seiner Firma noch vieles von Hand erledigt wird - etwa die Gestaltung der Notfahrpläne. Ein Computerprogramm gebe es dafür leider nicht. "Da hab ich genauso geschaut, wie Sie, als ich das erfahren habe", sagte Buchner zu den erstaunten Journalisten.
Staunen werden auch Kunden, die auf eine Entschädigung hoffen. Zwar versprach Buchner erneut, dass alle Abonnenten im Dezember einen Freimonat bekommen sollen. Allerdings nur, wenn sie dem Nahverkehr trotz der Krise die Stange halten. Wer ein Abo etwa nur bis Oktober hat, muss sich ein neues kaufen, sonst sieht er von der Wiedergutmachung nichts. Komplett leer ausgehen werden die Studierenden. Deren Semesterticket sei schon das billigste Angebot weit und breit, erklärte Bahn-Vorstand Ulrich Homburg. Ein Entschädigungangebot an die Studierenden könne er sich daher nicht vorstellen.
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