Berliner Landesparlament: Verkehrsprobleme in der schwarz-roten Koalition
Im Abgeordnetenhaus fetzen sich CDU und SPD. Vordergründig geht es nur um Autos und Brücken. Dahinter aber steht womöglich die Koalition in Frage.

Kristian Ronneburg von der Linksfraktion ist kurz darauf deutlicher: „Ich darf daran erinnern: Es gibt in diesem Haus auch noch andere Mehrheiten. Geben Sie sich einen Ruck für alle Berlinerinnen und Berliner“, sagt er. Aufgewacht waren Kapek, Ronneburg und ihre Parlamentskollegen am Donnerstagmorgen mit einem B.Z.-Artikel über einen angeblich für Herbst geplanten Koalitionsbruch der SPD.
Geraune über Ambitionen von Fraktionschef Raed Saleh, doch noch Regierender Bürgermeister zu werden, gibt es seit Längerem. Bloß konzentrierten die sich bislang darauf, dass er bei der Abgeordnetenhauswahl 2026 SPD-Spitzenkandidat sein könnte. Was auch nicht unwahrscheinlich wäre, weil sich sonst niemand anzubieten scheint. Jüngst aber hat dieses Geraune einen neuen Dreh bekommen: Saleh wolle im Herbst die Koalition unter einem Vorwand platzen und sich im Parlament zum Regierungschef und Nachfolger von Kai Wegner (CDU) machen lassen – mit Hilfe von Grünen und Linkspartei.
Das Geraune wurde in der B.Z. zwar von allerhand und so ähnlich auch von der taz zuvor gehörten Dementis von SPD-Führungskräften begleitet. Doch wer die vermeintliche Verkehrsdebatte am Donnerstagvormittag verfolgt, der sieht keine schwarz-rote Koalition, sondern eine Frontenbildung zwischen der CDU einerseits und SPD, Grünen und Linkspartei andererseits. Das drückt sich in den Reden aus, ist aber auch klar sichtbar. Als etwa Verkehrssenatorin Ute Bonde von der CDU spricht, sind die vorderen drei Reihen der SPD-Fraktion nicht mal halb voll. Zeitweise rührte sich dort keine Hand zum Applaus für die Koalitionskollegin vorne am Rednerpult.
Grüne und Linkspartei beklatschen SPD-Redner
Grüne und Linke hingegen beklatschen den SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf. Der bedankt sich zwar bei Bonde für den zügigen Abriss der einsturzbedrohten Brücke an der A100. Aber er übt auch viel Kritik, vermisst etwa längst zugesagt Busspuren. „Es reicht nicht aus, nur auf aktuelle Ereignisse zu reagieren“, sagt Schopf in Richtung Bonde. Tages zuvor fetzten sich SPD und CDU schon im Verkehrsausschuss des Parlaments zu Poller und Kiezblocks.
Kurz nach Schopf ist die AfD-Fraktion am Rednerpult dran und belächelt die koalitionsinterne Auseinandersetzung als „Kindergartenstreit“. Sie dürfte von einem Zerwürfnis unter den demokratischen Parteien der Mitte am meisten profitieren – in einer Umfrage von Ende Mai legte sie gegenüber der Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2023 bereits von ihren damaligen 9 Prozent auf nun 13 Prozent zu.
Dass es aus der Opposition die Aufforderung zum Bruch mit der CDU gibt, ist grundsätzlich nicht neu. Ende Januar, nach dem gemeinsamen Abstimmen von CDU und AfD im Bundestag, forderte die Linke Elif Eralp in einer Plenarsitzung: „Liebe SPD, brich die Koalition mit der CDU und lass uns eine antifaschistische Koalition bilden.“ Die Landesspitze der „lieben SPD“ sagte auf taz-Anfrage dazu, „dass sich diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht stellt“. Damals aber gab es das Geraune so nicht.
Auf den Sitzen des Senats lassen sich derweil Regierungschef Wegner und seine Stellvertreterin Franziska Giffey beim trauten Plausch und gelegentlichem Lächeln beobachten. Formal sind sie die wichtigsten Leute im Senat, de facto ist das gerade egal. Denn der Mann, von dem die Koalition abhängt, sitzt ihnen genau gegenüber, in der ersten Reihe der SPD-Fraktion. Raed Saleh, obwohl seit Mai 2024 nicht mehr SPD-Landeschef, ist mächtiger denn je in seiner Partei. Und Regierungschef wollte er schon 2014 werden, als er sich vergeblich um die Nachfolge des damals zurücktretenden Klaus Wowereit bewarb.
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