Berliner Grünen-Parteitag: Künast jetzt offiziell Wowereit-Rivalin
Renate Künast ist ohne Gegenstimme zur grünen Kandidatin für das Bürgermeisteramt gewählt worden - und präferiert ein Bündnis mit der SPD.
Die Berliner Grünen wollen mit Renate Künast an der Spitze im September 2011 die Landesregierung übernehmen. Am Sonntag nominierte eine Landesdelegiertenkonferenz der Partei die derzeitige Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion ohne Gegenstimme für den Posten der Regierenden Bürgermeisterin.
Schon am Freitag hatte Künast ihr monatelanges Schweigen in dieser Frage beendet. "Ich bin bereit zu kandidieren", sagte die 54-Jährige bei einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Grünen-Mitgliederversammlung. Spekulationen über eine Kandidatur der früheren Verbraucherschutzministerin, die vor ihrem Wechsel in die Bundespolitik Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus war, hatte es seit Ende 2009 gegeben.
Künasts Kandidatur folgt einem beispiellosen Umfrageboom der Berliner Grünen, der die Partei seit Mai 2009 von damals 16 auf inzwischen 30 Prozent geführt hat und damit an die Spitze der Wählergunst. Die in der Hauptstadt seit 2002 mit der Linkspartei regierende SPD liegt mit deutlichem Abstand nur auf Platz zwei vor der CDU.
An der Landesregierung war die Partei bislang nur zweimal kurzfristig beteiligt, jeweils als kleine Partnerin der SPD. Nach den derzeitigen Umfragewerten könnten sich die Grünen aussuchen, ob sie ab 2011 mit den Sozialdemokraten koalieren, mit der CDU oder bundesweit erstmalig mit der Linkspartei. Mit der CDU arbeiten die Berliner Grünen bereits seit vier Jahren in einem der zwölf Bezirksparlamente der Hauptstadt zusammen.
Linke wie Christdemokraten dienten sich am Wochenende erneut als Koalitionspartner an. Ein Bündnis mit der CDU ist inzwischen auch beim linken Flügel des Landesverbands anders als noch 2009 kein Tabu mehr.
Vor den Parteitagsdelegierten ließ Künast am Sonntag deutliche Sympathien für eine grün-rote Koalition erkennen. "Die höchste inhaltliche Schnittmenge haben wir mit der SPD", sagte Künast. Daran ändern für sie auch Angriffe des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) nichts. Der hatte die Grünen als "Abstauber-Partei" bezeichnet und ihnen Inhaltsleere vorgeworfen.
Künast teilt dagegen die Einschätzung von SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der das Verhältnis zwischen beiden Parteien als "freundschaftliche Konkurrenz" bezeichnet hat. "Partnerschaftliche Konkurrenz - das trifft es, dabei soll es bleiben", sagte Künast, "und ansonsten sollte man die Pfeile wieder in den Köcher stecken." Künasts zentrale Wahlkampfbotschaft lautet: "Eine Stadt für alle".
Dem seit fast neun Jahren amtierenden rot-roten Senat warf sie schon am Freitagabend lustloses Regieren vor. "Berlin ist eine Verheißung, nur seine Landesregierung ist eine Zumutung", sagte Künast. Sie will mehr Bürgernähe, eine neue Form des Regierens und mehr Anstrengungen, Jobs nach Berlin zu holen. 100.000 neue Arbeitsplätze im Feld der grünen Industrie hält sie für möglich.
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