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Berliner Flughafen-VolksentscheidReinickendorfer Füchse

Der fluglärmgeplagte Berliner Bezirk Reinickendorf stimmt für die Offen­haltung des Flughafens Tegel. Was sagt uns das?

Bis auf einen Kiez direkt nördlich des Flughafens stimmten alle für einen Weiterbetrieb von TXL Foto: dpa

Spätestens wenn Linke nach einer wieder mal verlorenen Wahl das dritte Abkotz­bier intus haben, taucht unvermeidlich die eine Frage auf: Warum wählen diese gottverdammten Menschen da draußen immer gegen ihre eigenen Interessen? Die Frage lässt sich dann bei weiteren Bieren beliebig fortführen, etwa: Warum kaufen die Leute weiter einen VW – oder eine beliebige andere Marke des deutschen Autobauer­giftgaskartells?

Hier in der Hauptstadt haben wir bekanntlich auf alle Fragen eine pfiffige Antwort, erst recht seit Sonntag: Der Leute wählen, wie sie wählen, weil der Mensch zwar ganz gewiss, wie es im schmissigen Einheitsfrontlied von Brecht/Eisler heißt, „ein Mensch ist“ – aber eben auch ein Reinickendorfer. Der Heimatbezirk des Flughafens Berlin-Tegel (TXL) sei nämlich „ein Phänomen“, konstatiert der Tagesspiegel in seiner Dienstagsausgabe: Bis auf einen Kiez direkt nördlich des Flughafens stimmten alle für einen Weiterbetrieb der Lärmschleuder TXL.

Tja. Was nun, Weltverbesserer?

Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum der Wähler sich immer wieder selbst die FDP, die AfD oder eben Tegel in die Wade rammt, dass das neoliberale, völkische oder kerosingetränkte Blut nur so spritzt, ist jedenfalls nicht: Dummheit. Der Wähler ist nicht dumm. Er hat Interessen und er nimmt eine Kosten-Nutzen-Abwägung vor.

Der Wähler will lieber, dass er eine miese Rente bekommt und das Hartz-IV-Schwert über ihm pendelt, als auch nur ein Haar davon mit Menschen zu teilen, denen es eindeutig noch schlechter geht als ihm; der Wähler will lieber zweimal im Jahr zügig zum Urlaubsflieger kommen als den Rest des Jahres seine Ruhe haben; und die Betrugspanzer der Autoindustrie sind halt technisch völlig okay: Die „Reinickendorfer“ können mit ihnen weiterhin alles totfahren, was nicht von null auf hundert auf den Bäumen ist. Wir sind und bleiben eben: eine Industrienation.

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3 Kommentare

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  • Ich liebe diese linke Hybris. Wer nicht meine Meinung teilt ist entweder dumm oder ein schlechter Mensch.

    Vielleicht sind aber viele Menschen auch so klug, dass sie Politikern die ihnen ein sorgenfreies Leben in einer Utopie versprechen einfach nicht vertrauen. Oder sie finden eine Welt, in der der Staat jedes kleine Detail für sie regelt nicht so attraktiv.

    Vielleicht sind sie auch so klug, dass sie Politikern, die seit Jahren beim BER einen Fehler nach dem anderen machen nicht vertauen wenn sie über TXL reden.

    Könnte doch auch sein, oder? Aber nein, lasst sie uns alle beschimpfen. Das gibt so ein gutes Gefühl!

  • OK, an meinen misantrophischen Tagen teile ich diese Auffassung und entdecke nur "Reinickendorfer". Nur wirklich weitergeholfen hat mir dies bisher nicht...

  • Ein paar Reinickendorfer mit Datschen auf Reiswerder meinten, den Flughafen würden sie nicht nutzen. An den Lärm gewöhnt man sich, wenn man damit aufwächst. Was hilft es, wenn der Flughafen weg ist und die Mieten hochgehen und eine neue Welle urbaner Fremder mit viel Geld nach Norden strömt? Aber das ist auch egal, das sei auch mit Flughafen vielleicht eben so. Alles ändert sich. Aber den TXL-Bus - DEN wollen sie behalten, super Sache. Der wird doch als erstes weggekürzt wenn Tegel dicht macht.