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Berliner FDP seit vorgestern kopflos

Beim Parteitag ließen die Delegierten die einzige Kandidatin für den Parteivorsitz durchfallen / Parteitag vertagte sich auf Juni / Graf Lambsdorff warnt vor Koalitionsspekulationen  ■  Aus Berlin Rita Hermanns

Vollmundig hatten die Berliner FDP-Delegierten auf dem ersten Parteitag nach ihrer Wahlniederlage das rot-grüne Chaos an die Wand gemalt und produzierten dann selber ein innerparteiliches Desaster. Sie ließen die einzige Kandidatin für das Amt der neuen Parteivorsitzenden unter hämischen Beifall durchfallen. Die 46jährige Frauenbeauftragte Carola von Braun, die dem linken Flügel der Partei zugerechnet wird, erhielt nur 116 von 125 erforderlichen Stimmen. 123 der 250 Delegierten stimmten gegen sie und neun enthielten sich der Stimme. Der Parteitag wurde über eine Stunde unterbrochen, in der der Landesvorstand und die Bezirksvorsitzenden die Köpfe zusammensteckten. Ergebnis: Die Liberalen vertagten sich schließlich auf Anfang Juni. Bis dahin soll der alte Vorstand weiter die Geschäfte führen.

Der amtierende Landesvorsitzende Walter Rasch hatte einige Tage vor dem vorgezogenen Parteitag seinen Rücktritt erklärt. Rasch wollte auch nicht für das Amt eines der beiden Stellvertreter kandidadieren. Der ambitionierte Noch -Finanzsenator Günther Rexrodt vom rechten Flügel der Partei sollte als Stellvertreter dafür sorgen, daß beide Richtungen im Vorstand vertreten waren.

Nachträglich klangen einige der Reden der Vertreter der Partei, die von 8,5% auf 3,9% der Stimmen abgerutscht waren, wie blanker Hohn. Immer wieder war die Rede von der Integration der innerparteilichen Komponenten und davon, nach außen Profil zu gewinnen. Der aus Bonn angereiste FDP -Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff plädierte unter großem Beifall dafür, die Berliner sollten „einig und geschlossen dafür kämpfen“, bei der nächsten Wahl ins Abgeordnetenhaus zurückzukehren. Die Partei dürfe sich nicht in „völlig überflüssigen Koalitionsüberlegungen“ verzetteln. Der Graf konnte zu diesem Zeitpunkt als erster Redner auf dem Parteitag noch nicht wissen, wie nötig die Berliner FDP seine Ratschläge braucht. Statt Einigkeit zu zeigen, rechtfertigten die Delegierten mit diesem Parteitag noch einmal das magere Wahlergebnis vom Januar.

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