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Berliner Ex–Stadtrat verurteilt

■ Viermal Bestechlichkeit und einmal Vorteilsannahme brachten dem früheren Berliner CDU–Stadtrat Jörg Herrmann zwei Jahre und drei Monate Haft ein / Schmiergeld muß nachträglich versteuert werden

Berlin (taz) - Bleich nahm der Angeklagte die Entscheidung zur Kenntnis: Zu zwei Jahren und drei Monaten verurteilte gestern die 11. Große Strafkammer des Moabiter Landgerichtes den ehemaligen Wilmersdorfer CDU–Baustadtrat Jörg Herrmann (47) wegen Bestechlichkeit in vier Fällen und Vorteilsannahme. Im Dezember war Hermanns Charlottenburger Amtskollege Antes ebenfalls wegen Bestechlichkeit zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es nach 30 Verhandlungstagen mit 75 Zeugen als erwiesen an, daß Herrmann vom Berliner Bauträger Franke im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben 50.000 Mark zwar nicht gefordert, so doch genommen hat. Das Gericht ordnete den Verfall der Summe an; Herrmann muß sie versteuern und innerhalb von zwei Monaten (abschreibungsfähig) an die Staatskasse zahlen. Außerdem wurde dem ausgebildeten Lehrer die Fähigkeit aberkannt, innerhalb der nächsten fünf Jahre ein öffentliches Amt zu bekleiden. Bitter kommentierte der Verurteilte, der lediglich den Erhalt von 15.000 Mark für kulturelle Zwecke eingeräumt hatte, den Schuldspruch: „Es gibt Götter in Weiß und solche in Schwarz, die die Wahrheit gepachtet haben. Aber nur der echte Gott oben weiß, daß ich mich nicht bestechen lasse.“ Nun will er ein Drehbuch schreiben, „eine Allegorie über die großen und kleinen Berliner Geschäfte“. In der fast zweistündigen, sorg fältig abgefaßten Urteilsbegründung des Vorsitzenden der Kammer, Andre Falkenberg, liest sich die Geschichte so: „Unternehmer Franke war eine führende Persönlichkeit der Berliner Bauwirtschaft. Er unterstützte seine Freunde bei den bürgerlichen Parteien finanziell, sicherte sich gegen die Wechselfälle parlamentarischer Zusammensetzung ab und versuchte, hohe Entscheidungsträger zu beeinflussen oder wohlwollend zu machen.“ Zu diesen gehörte Herrmann. Mit dem sei Franke sich „stillschweigend einig“ gewesen, ein ins Stocken geratenes Bauvorhaben „schnell und positiv“ über die Bühne zu bringen. Dabei, so der Richter, sei es für den Tatbestand der Bestechlichkeit unerheblich, daß Herrmann sich keine „rechtswidrige Handlung“ habe zu Schulden kommen lassen. Wesentliche Bedeutung maß das Gericht hingegen der von Franke akribisch geführten „Schmiergeldliste“ bei. Hier waren nicht nur die fünf Teilbeträge zu je 10.000 Mark an „Hermi“, „Herma“, „Herme“ verzeichnet, sondern auch die in die Hunderttausende gehenden Summen an den Regierenden Bürgermeister Diepgen, an die Ex–Senatoren Riebschläger (SPD) und Vetter (FDP), den Bezirksbürgermeister Qell (CDU) und seinen Vorgänger Wurche (SPD). Soweit die letzten Drei die Zahlungen bestritten, befand der Richter, „haben sie bedauerlicherweise die Unwahrheit gesagt“. Gegen alle ist ein Mein eidsverfahren anhängig. Im Gegensatz zur Verteidigung, die die Richtigkeit der „Franke–Kladden“ in Frage gestellt hatte (“Kann sein, kann nicht sein.“), betonte der Richter:“Daran gibt es keinerlei Zweifel“. Auch wenn der zeitweilig inhaftierte Unternehmer sein erstes Geständnis unter „Todesängsten“ abgegeben haben will und später widerrief, habe er „doch immer gewußt, was er tat“. Für Herrmann–Verteidiger Pakull war die Urteilsbegründung „spekulativ und nicht schlüssig“. „Im Zweifel für den Angeklagten“, so der Anwalt, „dies gilt in Moabit wohl nicht mehr“. Darüber soll nun im Revisionsverfahren der Bundesgerichtshof entscheiden. Benedict M. Mülder

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