Berliner Ensemble: Peymann geriert sich als Ausbeuter
Bei einer Premiere gibt es Protest gegen Arbeitsbedingungen. Der Intendant ist sauer
Bei der Premiere von Claus Peymanns Inszenierung von "Dantons Tod" am Berliner Ensemble (BE) gab es kürzlich eine Sondervorstellung: Eine Gruppe stürmte in der Pause einen der Gänge, sang die Marseillaise und trug eine Collage aus dem Dramentext und aktuellen Forderungen vor. Es gab Applaus. Dabei ging es der Initiative, die sich "das Grollen im Zuschauermagen" nennt, nicht um Unterhaltung. Sie wollte auf die Arbeitsbedingungen der 110 BE-Beschäftigten in Technik und Requisite aufmerksam machen, die sich in den letzten Monaten gewerkschaftlich organisierten haben, um einen Tarifvertrag zu erstreiten.
"Es war uns wichtig, Öffentlichkeit für diese unsichtbaren MitarbeiterInnen zu schaffen", erklärte eine Teilnehmerin, die ihren Namen nicht nennen will. Die AktivistInnen fürchten eine Kriminalisierung. BE-Intendant Peymann hat die Pauseninszenierung in verschiedenen Medien als Kampfansage von Ver.di bezeichnet und mit Anzeige gedroht. Die Initiative stellte mittlerweile klar, dass sie aus "solidarischen TheaterbesucherInnen" besteht und sich nicht mit der Gewerkschaft abgesprochen hat.
Die Entlohnungspraxis am BE bewerten Gewerkschaft und Theater ganz unterschiedlich. So erklärte Peymann nach der Aktion kokett: "Ich bin der größte Ausbeuter überhaupt, aber verglichen mit anderen Theatern zähle ich Spitzengagen." Ver.di-Sekretär Frank Schreckenberg sagte der taz: "Das BE ist eines der wenigen öffentlich geförderten großen Theater in Berlin ohne Tarifvertrag." Vor allem in den letzten Jahren eingestellte Beschäftigte verdienten oft erheblich weniger als ältere MitarbeiterInnen. Durch den Tarifvertrag solle daher dem Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" wieder Geltung verschafft werden.
Seine Gewerkschaft sei von der Protest-Performance überrascht worden, gab Schreckenberg zu. Ver.di hatte alle Aktionen gestoppt, weil für den 23. Januar die ersten Gespräche vereinbart sind.
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