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Berliner BäumeDer Kampf ums kostbare Grün

In vielen Bezirken kämpfen Anwohner für den Erhalt von Bäumen, die von Amts wegen wegsollen. Die Kritik der Naturschützer: Oftmals fielen Bäume unnötig - und nur, weil die Grünflächenämter sparen müssen.

Straßenbäume sind kostbar - und teuer zugleich Bild: dpa

Vor ein paar Wochen ist Anuschka Guttzeit der Kragen geplatzt. Mitarbeiter einer Firma, die mit der Fällung mehrerer Bäume beauftragt war, gaben an, dass sie in den Kronen der zu fällenden Bäume Vogelnester gefunden und auf Balkons deponiert hatten - um die Tiere nicht zu Schaden kommen zu lassen. "Ungeheuerlich", sagt Guttzeit. Für sie war das ein weiterer Beweis dafür, dass bei den Baumfällungen im Bezirk auf alles geachtet wird - nur nicht auf die Natur.

In der Stadt ist derzeit an verschiedenen Orten ein Kampf um die Bäume entbrannt. Auf dem Gendarmenmarkt veranstalteten vorigen Mittwoch rund 30 Menschen ein Sit-in, um gegen die diskutierte Abholzung von über 100 Kugelahornbäumen zu protestieren, die im Zuge der Umgestaltung des Platzes weichen sollen (taz berichtete). Ähnlich sieht es auf dem Gleisdreieck-Gelände in Kreuzberg aus: Anwohner protestieren, weil vorhandene Bäume gefällt werden, um bei der Parkgestaltung wieder neue zu pflanzen. In Treptow gibt es Widerstand gegen Baumfällungen im Zusammenhang mit der Verlängerung der A 100, in Moabit gegen Fällungen im Zuge eines geplanten Großmarktes, in der Neuköllner Hufeisensiedlung protestieren Umweltschützer gegen die Abholzung von Bäumen, die wegen einer Platzumgestaltung weichen sollen. Und rund um den Landwehrkanal kämpft eine Bürgerinitiative (BI) seit drei Jahren für den Erhalt von Bäumen.

Als sich Guttzeit und andere Anwohner das erste Mal in der BI zusammensetzten, ahnten sie noch nicht, dass sie einen so langen Atem brauchen würden. Denn im Kern kämpfen sie mit den gleichen Problemen wie vor drei Jahren: Der Bezirk lässt Bäume fällen, die die BI erhaltenswert findet. "Uns ist auch klar, dass es ganz ohne Fällungen nicht geht", sagt Guttzeit. "Aber wir haben den Eindruck, dass beim leisesten Verdacht sofort gefällt wird."

Eigentlich benötigen Fällarbeiten - gerade in der noch bis Ende September andauernden Vegetationsperiode - eine gesonderte Begründung. So sieht das Naturschutzgesetz vor, dass die Maßnahme zwingend zu dem Zeitpunkt durchgeführt werden und etwa der "Gewährleistung der Verkehrssicherheit" dienen muss. Ehe ein Baum im nächsten Sturm also auf ein Haus kippt, darf der Bezirk fällen.

Doch wie notwendig sind die Fällungen im Einzelfall? "Es passiert immer wieder, dass Bäume, die nicht so krank sind, abgeholzt werden. Die haben dann einen toten Ast und eine faule Stelle, und dann wird einfach der ganze Baum als krank erklärt", sagt Christian Hönig vom Berliner Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Und: "Der Bestand an Bäumen wird dem Budget der Grünflächenämter angepasst und nicht umgekehrt." Die Logik: Ein gefällter Baum verursacht keine Kosten für Pflege und Bewässerung mehr. Tatsächlich ist die Zahl der Straßenbäume in den letzten Jahren gesunken (siehe unten).

Annette Rähm, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde in Friedrichshain-Kreuzberg, bestätigt zumindest, dass es Grenzfälle gibt. Daher arbeite die Behörde mit dem Vieraugenprinzip, teilweise werde noch ein Gutachter hinzugezogen. "Hin und wieder reicht es dann schon, die Krone einzukürzen", sagt sie. Angestrebt werde außerdem, für jeden gefällten Baum einen neuen zu pflanzen. Im vergangenen Jahr hat das noch nicht ganz funktioniert: 418 gefällten Bäumen im Bezirk standen 303 neu gepflanzte gegenüber.

Ein weiterer Kritikpunkt der BI: Das Bezirksamt überlässt es den Fällfirmen, die zu fällenden Bäume auf Brutstätten zu untersuchen. "Die Firmen haben aber ein einseitiges Interesse, weil sie dafür bezahlt werden, die Bäume zu fällen", sagt Guttzeit.

Immerhin: Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist zumindest in Sachen Transparenz ein Vorreiter. Als einer von zwei Bezirken stellt er die Listen mit Baumfällungen ins Internet. Und im Gegensatz zu Pankow, wo veröffentlicht wird, welche Bäume innerhalb des vergangenen Monats gefällt wurden, sollen in Friedrichshain-Kreuzberg die geplanten Baumfällungen auf der Liste stehen.

In der Praxis klappt das nicht immer. "Manchmal stehen Bäume darauf, die längst gefällt wurden", bemängelt Guttzeit. Sie und ihre Mitstreiter wünschen sich mehr Informationen im Vorfeld der Fällungen - um gegebenenfalls einen eigenen Gutachter zu beauftragen und dem Baum somit eventuell das Überleben zu sichern. "Die Verwaltung sollte im Vorfeld auf die Bürger zugehen, dann ließen sich viele Probleme ersparen", sagt Hönig. Das gelte für Baumfällungen in allen Bezirken.

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2 Kommentare

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  • O
    orlev

    Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurden 2009

    418 Bäume gefällt und 303 Bäume geplanzt.

    In Stuttgart sollen 283 Bäume für S 21 gefällt werden und 5000 Bäume gepflanzt werden.

     

    Im Schlossgarten sind 10 000 Bäume.

    In Stuttgart sind 700 000 Bäume.

     

    Die Grünen haben für ein europäisches Schnellbahnstrassensystem gestimmt. Wo Hügel sind, da sind auch Tunnel.

     

    Stuttgart hat 2008 mit 4.4 MRD über den Länderfinanzausgleich Infrastrukturprojkete anderer Länder unterstützt. Von 1950 bis 2008 hat Stuttgart mit 60.1 Mrd unterstützt. Es ist ungerecht Stuttgart als unsolidarisch zu verunglimpfen oder als Baummörder hinzustellen.

  • S
    southgeist

    Zumindest am Gleisdreieck ist doch die jetzige Situation seit Monaten, wenn nicht Jahren, vorhersehbar. Auf dem ganzen Nord-Süd-Band wird eine der spannendsten und urwüchsigsten Berliner Brachlandschaften plattgelegt um einen ordentlichen, langweiligen und für die Natur deutlich weniger wertvollen "unschmuddeligen" Raum zu erhalten. Soweit ich verfolge durchaus mit Wohlwollen der taz. Bäume zu fällen um Bäume zu pflanzen ist da zwar absurd, aber durchaus folgerichtig.