: Berliner Altbackenes in Barcelona
■ Auf dem Weltkongreß der Architektur in der katalanischen Hauptstadt versteckte sich Berlin hinter seinen Baustellen
Berlin hat sich auf dem 19. Weltkongreß der Architekten (UIA) vom 3. bis 7. Juli in Barcelona deutlich unter Wert verkauft. Anstatt die wichtigen stadtplanerischen Konflikte zu thematisieren – etwa die Hochhausentwicklung am Zoo, das Bahnhofs- und Tunnelmonster im Tiergarten oder die neue Rolle der Stadtmitte als Regierungsviertel –, wurde Abgekochtes serviert: Auf der zentralen Ausstellung „Present and Futures – Achitecture in Cities“ stellte sich die Stadt mit vier längst bekannten Projekten aus der Friedrichstraße vor. Daß eines davon, Peter Eisenmans avantgardistisches „Max- Reinhardt-Haus“ am S-Bahnhof Friedrichstraße, schon vor Jahren gekippt worden war, teilte man den (unwissenden) Besuchern des internationalen Kongresses nicht mit.
Während die Entschuldigung gilt, daß der Senat wenig Einfluß auf das Programm der großen Architekturschau nehmen konnte, bleibt es ein Geheimnis, warum die „Hauptstadt der Baustellen“ auf dem Forum „Berlin, eine europäische Stadt“ so ermüdend auftrat: Wer gehofft hatte, der Run auf die „Schaustelle Berlin“ würde sich im schwülen Barcelona zum Diskurs über die Vielzahl der aktuellen Baustellen verwandeln, sah sich enttäuscht. Vielmehr konzentrierte man sich auf debis-Hochglanz am Potsdamer Platz und Althergebrachtes aus IBA-Zeiten – als gäbe es keine strittige Diskussion zur Rolle des öffentlichen Raums, innerstädtischer Verkehrstrassen, des Wohnungsbaus und energiesparender Architekturen. „Wer den Vortrag des Architekten Joseph Paul Kleihues gehört hat, erhält kein plastisches Bild von dem, was hier einmal abgehen wird“, monierte ein Forumsteilnehmer.
Als wenig hilfreich für die großen Anstrengungen des Bundes Deutscher Architekten (BDA), den 21. UIA-Kongreß im Jahr 2002 nach Berlin zu holen, könnte sich auch das Engagement des Senats erweisen. Mit Ulrich Arndt, Staatssekretär beim Bausenator, präsentierte sich die Stadt „fachpolitisch“ recht dürftig. Ihre Teilnahme am Kongreß, der mit rund 9.000 Teilnehmern und einem Mammutprogramm zu einem Architekturfestival mutierte, hatten im Vorfeld bereits Bausenator Jürgen Klemann (CDU) und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) abgesagt.
Zur Unterstützung der UIA- Bewerbung reist SPD-Arbeitssenatorin Christine Bergmann – in Vertretung des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) – nach Barcelona. Die Generalversammlung der UIA will heute entscheiden, wer nach Peking im Jahr 1999 den Kongreß 2002 ausrichten darf. Der BDA rechnet sich zwar gute Chancen aus, die Architektur-Olympiade mit der Messe-Berlin im ICC durchführen zu können.
Die Konkurrenz indessen hat nicht geschlafen: Venedig, gemeinsam mit der oberitalienischen Stadt Florenz, mit Jerusalem und Melbourne Kandidat für die UIA- Show, lockt mit viel Geld und dem Auftritt venezianischer Philharmoniker in Barcelona. Rolf Lautenschläger, Barcelona
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