Berliner Abgeordnetenhaus debattiert Finanzkrise: Wowereit in anderen Sphären
Statt konkret zu sagen, wo er wegen der Krise sparen will, gibt der Regierende den Bundespolitiker.
Es waren knapp 20 Minuten, die Klaus Wowereit am Rednerpult des Berliner Abgeordnetenhauses stand. Gut 18 davon redete aber nicht der Regierende Bürgermeister, sondern der SPD-Bundesvize. Wer denn die Zeche der europäischen Finanzkrise zahle, war die Debatte überschrieben. Doch Wowereit sagte zwar viel über internationale und Bundespolitik. Was aber Berlin zu erwarten hat, darauf ging er trotz Aufforderung durch die Opposition kaum ein.
Nur so viel war von ihm zu hören: dass man den Bürgern "auch in Zukunft" viel zumuten werde; dass man in Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kitas investieren wolle und - wie von der Koalition seit Langem mantrahaft vorgetragen - Steuerausfällen nicht hinterhersparen werde.
Das war alles, was der Regierende Bürgermeister an Konkretem zu bieten hatte. Viel ausführlicher redete er über die Bundespolitik, legte der Kanzlerin nahe abzutreten, ließ en passant die Namen des EU-Binnenmarktkommissars und des Zentralbankchefs fallen, als sitze er regelmäßig bei ihnen zum Tee zusammen. Fast genauso viel Zeit wie für mögliche Auswirkungen der Krise auf die Stadt verwandte Wowereit zudem darauf, verbal auf die grüne Fraktionschefin Ramona Pop einzudreschen: Jetzt verstehe er, warum die Grünen sich so sehr Renate Künast zurückwünschten - das Niveau von Pops Rede sei nicht regierungsfähig.
Die so Angegriffene hatte Rot-Rot zuvor vorgeworfen, zwei Gesichter zu haben: jenes ihrer ersten Wahlperiode bis 2006, in der man tatsächlich gespart habe; und jenes seither, mit einer Ausgabenlinie, die "geradewegs ins Nirvana" führe.
SPD-Fraktionschef Michael Müller bestätigte Pops Feststellung indirekt, als er die Koalition für ihre Sparpolitik lobte und den Solidarpakt und den Ausstieg aus der Anschlussförderung als Beispiele nannte - beide datieren zurück in die Anfänge von Rot-Rot. Pop erhielt zwischenzeitlich Beifall von FDP-Fraktionschef Christoph Meyer - ihm hatten die Grünen zu Wochenbeginn die Zusammenarbeit gekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft