■ Berlinalie: Leere Regale
Wenn es einen nicht so sehr interessiert, wer nun welche Preise beim Festival gewinnt, wenn einem also die kollektiven, abschließenden Höhepunkte der Berlinale egal sind, geht alles recht lapidar vorbei. Man schaut weniger Filme am Ende und denkt über die Dinge nach, die man in der nächsten Woche machen möchte. Die Berlinale hört so ähnlich auf wie die Lebensmittelabteilung des Hertie-Kaufhauses am Halleschen Tor, die am Samstag sang- und klanglos Punkt vier zum letzten Mal ihre Türen schloß. Die Regale waren schon mehr oder weniger leergeräumt, der Kunde wurde mit seinen Erinnerungen aus dreißig Jahren alleingelassen; lustlos und unkonzentriert hatten die Hertiemitarbeiter Sonderangebotsplaketten verteilt, so daß plötzlich der Wein, der zuvor 6,99 gekostet hatte, im Sonderpreis nun für 7,99 verkauft wurde.
Kaum daß sie angefangen hat, ist „die Berlinale, der prickelnde Ausnahmezustand“ (Diepgen) schon wieder vorbei. In der U-Bahn, die mich zum letzten Mal ins Festivalzentrum brachte, unterhielten sich drei halbwüchsige junge Männer sehr angeregt übers Kino. Sie beklagten, daß es in den letzten drei Jahren 30 deutsche Filmkomödien, aber höchstens drei Actionfilme gegeben habe, die aber auch nicht so das Wahre gewesen seien. Daneben redeten zwei Pennner über Hitler. Im wie gewöhnlich überfüllten Kino hielten viele Leute neben sich Plätze frei. Man fragt höflich eine Minute vor Beginn der Vorführung, ob man sich da hinsetzen könne, und die sagen einem, dieser Platz sei „leider“ besetzt. Dabei ist dieser Platz gar nicht besetzt; das sieht man doch. Da sitzt doch gar keiner! Während der Platzbesetzer meint, er sei höflich, weil er einen Platz freihält für Freunde, die oft gar nicht kommen, handelt es sich im Gegenteil um eine offensichtlich asoziale Unhöflichkeit!
„Cookie's Fortune“, der neue Film von Robert Altman, ist ganz wunderbar, elegant und schön. Als man aus dem Kino wieder rausging, schien die Sonne. Wie so oft nach schönen Filmen, hatte man danach das Gefühl, in einer besseren Stadt als zuvor zu leben. Bei der Pressekonferenz hatte Robert Altman Geburtstag. 74. Der Senior war leider nicht persönlich, sondern nur mit seiner Stimme über Telefon präsent. Auf Aufforderung des Leiters der Pressekonferenz sangen alle Journalisten: „Happy Birthday to you“. Dann schaute man noch einmal bei den Sponsoren vorbei, die das Filmfest ermöglichten. Mercedes hatte aufwendig einen riesigen Mercedeskalender für die Journalisten produziert, der aber kaum Anklang fand.
Bei Sat.1 gab es wieder Bonbons und leckere Chips. Im 11. Berlinale-Newsletters von Sat.1 stand eine Hitliste der vergangenen Festivaldinge: „Das kultigste Give Away: der Sat.1-Berlinale- Schreibblock im Handtaschenformat mit Filmgöttin-Cover & passendem Poster im gleichen Design“; „die fetzigste Party: die Bruce-Willis-Megafete im Planet Hollywood, veranstaltet von Sat.1“; „die charmanteste Berlinale-Moderatorin: Eva-Maren Büchner (Sat.1-Blitzlicht); „die beste Berlinale-Lektüre: der tägliche Sat.1-Newsletter (...) zu genießen auf dem Designersofa der Sat.1-Presselounge“. Nun denn. Detlef Kuhlbrodt
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