Berlinalie: Minister plaudert
Soll niemand was gegen die Neue Mitte sagen! Die neue Mitte in Berlin, also den Potsdamer Platz, wo man tatsächlich auf die Neue Mitte trifft – die politische, in Gestalt von Kulturminister Naumann. Beide Mitten haben sich gemausert und streben glücklich ihrer Vollendung in einer wenig spektakulären, doch nicht gänzlich unschicken Weise zu. Der Minister redet und verhandelt nicht nur über Filmpolitik, nein, sympathischerweise geht er ins Kino, mit Karte, wie alle anderen Zuschauer auch, ich kann’s bezeugen, denn er hat sich bei der Vorführung von „Nebeska Udica“ neben mich gesetzt.
Bevor der Film losging, berichtete er von seinen Plänen einer gemeinsamen deutsch-französischen Filmakademie mit Meisterklassen, in denen sich die deutschen und französischen Filmhochschulstudenten schon frühzeitig kennen lernen sollen. Das waren zwar Informationen „unter drei“, also nicht zur sofortigen Publikation gedacht, aber da überschätzt er unseren Redaktionsschluss gewaltig. So früh, wie wir dichtmachen, besteht überhaupt keine Gefahr, dass ich das hier zu schnell, also vor Bekanntgabe der Pressemitteilung, ausplaudere.
Beinahe hätte ich mit dem Minister wetten wollen, so wie das in „Nebeska Udica“ ein Thema war. Gut, dass ich’s nicht tat. Ich hätte die Wette verloren. Denn irgendwann sagte Michael Naumann: „Und wenn jetzt die Bombe fällt, dann ist der Film auch kaputt.“ Worauf ich meinte, ich könne mir nicht vorstellen, dass der Regisseur das wirklich mache. Aber leider, er ließ die Bombe fallen und seinen Helden mit ihr, und spätestens hier war der Film tatsächlich kaputt, kaputter geht’s nicht. „Nebeska Udica“ spielt in Belgrad, im Mai 1999, während der Nato-Angriffe. Wir sehen wirklich nette Serben, die aus unerfindlichen Gründen von einer „Mörderbande“ gejagt werden, die ihnen unbedingt ihren schon mal zerbombten und mühsam wieder hergestellten Baskettballplatz kaputtschießen muss. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die Belgrader sicher andere Ansichten zu den Nato-Angriffen haben müssen als Leute in anderer Situation: Mit dem absoluten Schweigen über Politik, in dem sich „Nebeska Udica“ übt, wird der Zuschauer wirklich für dumm verkauft. Trotzdem fragt man sich natürlich, ob der Minister einer Regierung, die die Nato-Angriffe offensiv unterstützt und verteidigt hat, bei diesem Film noch mehr Bauchgrimmen kriegen muss als unsereins. wbg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen