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BerlinalieAuf minus 2

Heute morgen haben sie es abgesagt, mein Interview mit Sandrine Kiberlain. Schwanger ist sie, im sechsten Monat, nicht reisefähig. Alles aus! Vielleicht auch besser so. Wäre eh viel zu aufgeregt zum Fragen gewesen.

Aber im Hyatt-Hotel (warum nicht Hyänen-Hotel?) ist es trotzdem toll. In der Lobby haben sie eine komplette Kneipenlandschaft gebaut – alles superkünstlich. Hostessen irgendeines Sponsors schieben Laptops auf einem Wägelchen an einem vorbei, und wenn man sie halbwegs nett anguckt, stoppen sie. So auch als ich mit dem taz-Votografen Owsnitzki, der zum Glück nie ins Kino geht und auch keine Zeitungen liest, hier abhing und Veltins (0,3 zu 6 DM) trank. Wir konnten umsonst surfen, haben also www.votos.de angewählt. Einfach nur, damit irgendwas passierte. Denn so trist wie hier ist es sonst nirgends. Die Frau von Jacobs Krönung steht stundenlang, ohne eine Tasse auszuschenken, neben ihrem Papptresen. Und bei TV-Movie hängt ein Typ mit buntem Iro rum und wertet das Umfeld auf.

Dann kommt Prominenz, einer der beiden Münchner Tatort-Kommisare mogelt sich hinter uns zu einem Umsonst-Surf-Terminal durch. Er ist definitiv in einer Berlinale-Promi-Depression. Keine abgekriegt, aber stundenlang im Zimmer gewartet, dass Interviewanfragen kommen.

Ach ja, die Klofrage ist ein richtiger Berlinale-Skandal. Im „Billy-Wilders“ gibt’s kein Klo und keinen Zigarettenautomaten. Nix gibts hier, nur Lichtinstallation. Nach dem tollen Johnnie-To-Film „Where A Good Man Goes“ tranken wir trotzdem einige Biere dort. Dann war es so weit: „Gehen Sie dort raus, zum Fahrstuhl!“ Äh? „Fahren Sie nach minus 2, mit dem Glasfahrstuhl, da!“ sagt einer der schwer bewaffneten Sicherheitsmänner. Minus 2 ist aus nacktem Beton. Eine bunte Klofrau zeigt auf eine Stahltür. Zurück geht es auch nur mit dem Glaslift – Treppenhaus nicht betreten! Also wartet man, sieht die coole Theke vom Cinestar hinter Panzerglas, wie ein Aquarium.

Als der Glaslift zurückkehrt, ist jemand drin. Fragt mich: „Wo waren Sie gerade?“ Sage ich nicht, sage ich. „Ich muss die Sicherheitslage im Gebäude überprüfen“, sagt der Mann ernst. Irgendwie sieht er sogar sympathisch aus. Ich gebe zu, auf minus 2 pissen gewesen zu sein. Steige aus bei null. Er fährt weiter nach oben, in den Himmel von Sony. Wie mag die Sicherheitslage da oben nur sein? ab

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