piwik no script img

Berlinale-Film "The Kids Are All Right"Eine Familie zum Verlieben

Korrektes Kompostieren, Schuldgefühle gegenüber Obdachlosen: Lisa Cholodenkos tragikomischer Film "The Kids Are All Right".

Nicht patriarchalisch, aber kontrollsüchtig: die Mütter . Bild: dpa

Die Familie ist die schlechteste aller Lebensgemeinschaften, mit Ausnahme aller anderen. So lässt sich in Abwandlung eines Churchill-Zitats die Botschaft von Lisa Cholodenkos "The Kids Are All Right" zusammenfassen. Das ist natürlich die Quintessenz so gut wie aller Familienfilme; das besondere an Cholodenkos Version ist, dass sie die abgedroschene Wahrheit ausweitet auf Familien jenseits der traditionellen patriarchalen Variante.

Die Ärztin Nic (Annette Bening) und die Landschaftsarchitektin Jules (Julianne Moore) sind seit zwanzig Jahren ein Paar und haben zwei Kinder, den 15-jährigen Laser (Josh Hutcherson) und die 18-jährige Joni (Mia Wasikowska). Biologischer Vater der beiden ist ein anonymer Samenspender. Da Joni gerade volljährig geworden ist, darf sie dessen Identität erfahren. Die Kinder treffen sich heimlich mit ihrem Vater Paul (Mark Ruffalo), der erfolgreich ein Biorestaurant betreibt. Lange können Joni und Laser die Verabredungen mit ihrem coolen neuen Dad vor den Müttern allerdings nicht verheimlichen. Die untergründigen Spannungen in der Familie kommen an die Oberfläche.

Man merkt "The Kids Are All Right" an, wie wichtig es Cholodenko ist, darzustellen, dass es keinen großen Unterschied macht, ob Mutter und Mutter oder Mutter und Vater Kinder großziehen. Annett Benings Rolle der kontrollsüchtigen Familienernährerin Nic ließe sich problemlos durch einen Mann ersetzen - unter anderem wegen des Milieus, in dem "The Kids Are All Right" spielt. Cholodenko hat sich spezialisiert auf eine recht neue gesellschaftliche Gruppe, die der New-York-Times-Kolumnist David Brooks Bourgeois Bohemians genannt hat. Also Menschen, die das Erfolgsstreben und die Selbstbezogenheit der Achtzigerjahre mit der Toleranz der Sechziger verbinden. Ein Milieu, das im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale recht überrepräsentiert ist (siehe auch "Please Give" und "Greenberg").

Natürlich können alle diese Filme nur Tragikomödien sein. Denn hier geht es nicht ums Überleben oder Gewalterfahrungen, sondern um überlaufende Pools, korrektes Kompostieren und Schuldgefühle gegenüber Obdachlosen. Allzu dramatisch kann es also nie werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • E
    Elena

    Der Film setzt auf unangenehme Situationen und Gespräche, bei denen niemand weiß was er sagen soll. Das weiß ich eigentlich auch nicht. Der Film war eine verdammt unangenehme Situation. Zuschauer sollen sich selbstgefällig zurücklehnen können und freuen, dass sie nicht selbst betroffen sind. Nicht selber dem Samenspender antworten müssen "was man so macht" oder fragen "was er so macht". Beklemmendes Grinsen, begrinstes Schweigen. Aber es dauert nicht lang bis die Szene wechselt und ein neuer, sinnentleerter Dialog über die Leinwand flimmert und die Leute genauso gut unterhält wie heimlich entdeckte Pornofilme und Sexspielzeug. Pseudo-aufgeklärt werden regelmäßig verklemmte Diskussionen über Sexualität zelebriert, die darauf setzen Zuschauern ihre eigene Offenheit und Reife vor Augen zu führen, die sich in der Realität äußert, indem das Publikum hysterisch auflacht, sobald das Wort "f....." in schlecht geschauspielerte Gespräche einfließt. Wer gerne mit anderen über homosexuelle Pornos lacht, die sich zwei stereotypisch dargestellte Lesben ansehen, wenn sie nicht gerade verlegen ihre Kinder aufklären oder degenerierte Dialoge führen, die tröstenderweise wenigstens ein gutes Dutzend der Zuschauer das Kino verlassen lassen ("Ich liebe dich, Häschen" "Ich dich auch, Pony"), dem sei der Film wärmstens ans Herz gelegt.