Berlinale-Film „Love Lies Bleeding“: Mit Blut, Schweiß und Spucke
„Love Lies Bleeding“ erzählt die Amour fou zwischen zwei Sportlerinnen. Er wirkt wie ein Befreiungsschlag für das lesbische Kino.
Der Schweiß perlt von den Wänden und den aufgepumpten Männerkörpern, die ihre Muskeln in einem schäbigen Fitnessstudio stählen. Oder treffender: sie zur Schau stellen, umgeben von martialischen Motivationssprüchen, die sie noch einmal daran erinnern sollen, bloß keine Memme zu sein. „Nur Loser geben auf“ und „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt“, prangt ihnen in großen Lettern auf schmucklosen Schildern entgegen.
Der Schmutz und das Bedrohliche, das Bedrückende und der Siff der trostlosen Kleinstadtkulisse, die Rose Glass im New Mexico der späten Achtziger zeichnet, ist sofort spürbar. Es ist eine Man’s Man’s Man’s World, die die britische Filmemacherin in ihrem zweiten Spielfilm heraufbeschwört, überschäumend von archaisch-amerikanischen Männlichkeitssymbolen. Zwischen Pickup-Trucks, Pilotenbrillen und Pistolen hat sich die junge Lou (Kristen Stewart) als Managerin besagter Muckibude darin eingerichtet.
Es ist ein festgefahrenes Dasein, das aus nicht viel mehr denn einsamen Fertigmahlzeiten, Ketterauchen zum Klang von Entwöhnungskassetten und Masturbieren auf der Couch zu bestehen scheint. Der lästig gewordenen Situationship mit der abgetakelten Ex-Freundin Daisy (Anna Baryshnikov), die Lou wohl nur aus Ermangelung an Dating-Alternativen in ihr Leben ließ, versucht sie nach Kräften auszuweichen.
25. 2., 21 Uhr, Cineplex Titania
Wer hätte gedacht, dass es nicht mehr als eine obdachlose Bodybuilderin braucht, die eigentlich nur auf der Durchreise nach Las Vegas ist, um nicht nur Lous ereignislose Existenz, sondern auch gleich das gesamte kriminelle Gefüge der Stadt aus den Angeln zu heben?
Purer Pulp
Inmitten des puren Pulps setzt „Love Lies Bleeding“ zu einer der wohl ungewöhnlichsten lesbischen Liebesgeschichten an, die je erzählt wurden: Jackie (Katy O’Brian) hat gerade einen Job im örtlichen Schießsport-Club bekommen, als sie wie eine Chimäre in Lous Fitnessstudio aufschlägt. Die elektrisierende Anziehung zwischen ihnen ist augenblicklich da, ebenso die Gefahr, die in ihrer Annäherung mitschwingt. Als sie ein aufdringliches Männergrüppchen bei ihrem ersten angeregten Gespräch stört, kommt es unmittelbar zum Faustkampf.
Es ist nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was im Laufe dieses mindestens so sehr von Blut wie von Schweiß getränkten Thrillers noch folgen soll. Nach ihrem Debüt, dem ebenfalls sapphisch gefärbten Mystery-Horrorfilm „Saint Maude“, wendet sich Rose Glass nicht weniger bildgewaltig einer leidenschaftlichen Amour fou zwischen zwei Frauen zu, die dem machistischen Kosmos, in dem sie sich entfaltet, nicht etwa zu entkommen versuchen – sondern sich in die kompromisslose Konfrontation mit ihm begeben.
Effektvoll zeigt „Love Lies Bleeding“, wie die (körperliche) Macht der Männer immer wieder in ihr gerade geschaffenes Refugium vordringt, ihren rauen, aber betörten Alltag zwischen spontanem Badezimmersex und hartem Training, mit dem sich Jackie auf einen Wettkampf im Bodybuilding vorbereiten möchte, stört.
Zum einen tritt Lous vom FBI beschatteter Vater (Ed Harris) als Chef ihrer neuen Partnerin wieder auf den Plan und ruft in seiner Tochter traumatische Erinnerungen an eine Jugend wach, die von seinen illegalen Waffengeschäften überschattet wurde. Vor allem aber Lous Schwager JJ (Dave Franco), der ebenfalls am Schießstand arbeitet und ihre Schwester Beth (Jena Malone) immer wieder demütigt, ist dem Paar ein Dorn im Auge.
Blutige Eskalation
Ein Dorn, dessen sich Jackie in einem explosiven Gewaltrausch entledigt, nachdem JJ seine Frau krankenhausreif prügelte. Aufgeputscht von den Anabolika, die Lou ihr verabreicht, tötet sie ihn und setzt so eine blutige Eskalationsspirale in Gang, die das Drehbuch von Rose Glass und Weronika Tofilska nicht nur gekonnt mit schauderhaften Schockmomenten und „Body Horror“-Elementen, sondern auch absurd-komischen Szenarien verwebt.
Nichts aber wird so sehr von diesem Film in Erinnerung bleiben wie seine ebenso stilsichere wie selbstbewusste Inszenierung der freimütigen Sinnlichkeit zwischen den beiden Frauen im Zentrum. Zwar kennt Lous und Jackies turbulente Liebe sicherlich keinerlei gesundes Maß, noch folgen die beiden Liebenden irgendwelchen moralischen Gesetzen abseits ihrer eigenen.
Glücklicherweise aber sind Filme weder als Beziehungsratgeber misszuverstehen, noch unterliegt das Handeln ihrer Figuren dem kategorischen Imperativ. „Love Lies Bleeding“ ist dreckig, düster, sexy, unerschrocken – und für das lesbische Kino, das meist noch immer allzu handzahm und versöhnlich daherkommt, nicht weniger als ein Befreiungsschlag.
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