Berlinale – was bisher geschah (1): Nicken in der Jury-Runde
Die Vorstellrunde der Berlinale-Jury ist ein alljährlicher, sehr erwartbarer Pflichttermin. Doch diesmal gibt es zumindest eine Veränderung.
Die Stimme kennst du doch? Und richtig. Als die Kameramenschen sich hinsetzten und damit die Wand von fotografierenden und filmenden Rücken sich lichtete, wurde klar, dass Jenni Zylka, die geschätzte taz-Autorin, die Pressekonferenz zur Vorstelle der diesjährigen Jury leitete. Sie machte das souverän und locker.
Dieser alljährliche Pflichttermin ist natürlich im Wesentlichen dazu da, ein paar Starbilder und unverfängliche Statements zu generieren. À la Daniel Brühl: „Für mich wird es das erste Mal, dass ich einen Berlinale-Wettbewerb komplett sehen werde. Darauf freue ich mich sehr.“ Oder Audrey Tautou: „Ich habe irgendwann aufgehört, Filmkritiken zu lesen.“ Das klappte an diesem sonnigen Donnerstagvormittag in Berlin also schon mal gut.
Zwischen den Witzchen und „I am honored“-Sätzen versucht man als Beobachter aber auch einige Hinweise herauszuhören, wie diese Jury ticken könnte. Auch in dieser Hinsicht war die PK ganz ertragreich.
Der Juryvorsitzende Darren Aronofsky, hatte man den Eindruck, gab sich als integrativer Profi, der den Laden zusammenhalten muss. Jurymitglieder wie den koreanischen Regisseur Bong Joon-ho oder die US-Produzentin Martha De Laurentiis, die bis dahin von den anwesenden Journalisten noch nicht gut mit Fragen bedacht worden waren, band er mit Sonnyboy-Attitüde ein. Und wie er weitere Festlegungen vermied, war einerseits geschickt, aber auch mit Hollywood-Vokabeln wie „emotionale Reise“ und „visuelle Erfahrung“ gespickt. Er steht eben für intelligent modernisiertes Überwältigungskino.
Als die Jury nach Jafar Panahis Wettbewerbsbeitrag „Taxi“ gefragt wurde, verstand Jurymitglied Matthew Weiner die Brisanz der Frage erst nicht. Panahi hat den Film trotz Berufsverbot im Iran gedreht. Weiner rettete die Situation dann selbst, indem er die Lage des iranischen Films bedauerte, vor allem aber versicherte, dass sie, um ihn beurteilen zu können, diesen speziellen Film selbstverständlich erst sehen müssten. Allgemeines Nicken in der Runde, das besagen sollte, dass Filme von dieser Jury zuallererst als ästhetische Phänomene und nicht als politische Statements gewürdigt werden.
Matthew Weiner war sowieso interessant. Als Produzent von TV-Serien („Mad Men“) vertritt er ein Genre, bei dem man sich inzwischen gar nicht mehr daran erinnern kann, wie arrogant wahre Cineasten darauf noch vor wenigen Jahren herabgeschaut haben. Mit einem Witz rief Weiner dies in Erinnerung. „Mich einzuladen senkt den Status des Festivals“, sagte er augenzwinkernd, um die Aussage sofort wegzuwischen. So souverän konnte er seinen Respekt für das Kino formulieren, dass klar wurde, wie viel Selbstbewusstsein längst in dem Seriending steckt.
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