: Berlin: Palast wird besetzt
■ „Initiativgruppe 4.11.“ ruft zur Besetzung des Palastes der Republik auf / Prunkbau soll Kulturzentrum werden
Die „Initiativgruppe 4.11.“ - Initiator der großen Demonstration vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz - bereitet eine neue spektakuläre Aktion vor. Am Sonntag, dem 4. März 1990 soll nach einer Demonstration im Lustgarten der pompöse Palast der Republimk besetzt werden. Damit soll nach dem Willen der Organisatoren ein Zeichen gesetzt und auf den drohenden Ausverkauf kultureller Werte in der DDR aufmerksam gemacht werden. Sie fordern, den repräsentativen Bau für künstlerische Basisgruppen zu öffnen. Das Haus soll Heimat der überall entstehenden Kunst und Kulturgruppen werden. Abgelehnt wird jegliche Nutzung, Vergabe oder Veräußerung des Gebäudes zu kommerziellen oder repräsentativen Zwecken. „Wir machen“, so heißt es im Aufruf der Initiativgruppe, „aus dem Palast der Republik ein kulturelles Zentrum. Ein Zentrum, das die Kultur der Straße und des Platzes aufgreift und eine Mischung aus allen Kultur - und Kunstformen - wie Zirkus, Konzerthalle, Vergnügungspark, Diskothek, Ballhaus, Tanzsaal, Videothek, Ausstellung, Kino und Theater bietet.“
Die Veranstalter rufen die etablierten Künstler Berlins auf, sich an dem am Sonntag um 11 Uhr beginnenden Spektakel zu beteiligen. „12 Uhr - Einzug in den Palast der Republik“ steht auf dem Flugblatt. Alle, denen Kunst und Kultur am Herzen liegen und die sich selbst gern künstlerisch produzieren möchten, sind eingeladen nach dem Motto: Der Palast hat Platz für alle - Kreativität ist Trumpf.
Die Initiativgruppe der Berliner Theaterschaffenden hat in einem Antrag an den Runden Tisch die Regierung der DDR aufgefordert, „den gesamten Sicherheitsapparat, der nach wie vor im Hause ist“ sofort aufzulösen und die Leiter aller Kompetenzbereiche zu entlassen.
Obwohl die Vertreter der Initiativgruppe versicherten, daß ihr Anliegen bei der Leitung des Palastes der Republik wohlwollend aufgenommen wurde, wollte die taz gern eine persönliche Stellungnahme des Direktors erhalten. Dr.Beetz: „Daß eine Besetzung erfolgen soll, entspricht nicht den Tatsachen. Es ist mit drei Vertretern der Initiativgruppe 4.11. - deren Ziele wir vorbehaltlos unterstützen lediglich eine Präsentation verschiedener Künste vorgesehen, die im Anschluß an eine Kundgebung im Lustgarten erfolgen sollen. Dieses Unternehmen soll in das laufende Programm des Palastes integriert werden. Donnerstag mittag werden wir dazu letzte Absprachen führen.“
Olaf Kampmann
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