: Berlin - Gastgeber für Rechtsradikale
■ Obwohl sich das Abgeordnetenhaus einstimmig gegen Vermietung öffentlicher Räume an Rechtsradikale ausgesprochen hat, vermietet die landeseigene Kongreßgesellschaft ICC an die Deutsche Volksunion / AMK verweist auf geltende Rechtslage
Vor knapp einem Jahr waren sich die Abgeordneten im Rathaus Schöneberg ausnahmsweise einmal einig. Die faschistische Mun -Sekte solle keine Räume im ICC erhalten, hieß es einstimmig. Auch andere rechtsradikale Gruppen wie die deutsche Volks-Union (DVU) sollten künftig keine öffentlichen Räume mehr erhalten, verlangten die Parlamentarier. Am kommenden Sonntag aber trifft sich die DVU dennoch wieder zu ihrer Jahresversammlung im Internationalen Congress-Centrum.
Die landeseigene Austellungs- und Kongress-Gesellschaft AMK hat den Saal 3 an die DVU vergeben, die in Bremen im vergangenen Jahr gemeinsam mit der NPD zur Wahl aufrief. Wirtschaftssenator Pieroth (CDU), im Aufsichtsrat der AMK, hat dennoch keinen Versuch gemacht, den Dauergast DVU - die Rechtsradikalen treffen sich bereits seit 1983 zur jährlichen Hauptversammlung im ICC - aus dem Kongreßzentrum fernzuhalten.
Der Senat könne die AMK „rechtlich nicht anweisen, Bewerber auszugrenzen“, erklärt der persönliche Referent des Senators, Mickeleit. Den Beschluß des Abgeordnetenhauses nennt Mickeleit deswegen auch „unglücklich“.
Der Abgeordnetenhausbeschluß „spielt herzlich wenig eine Rolle“, meint auch AMK-Sprecherin Rita Stark und verweist auf die „geltende Rechtslage“ und ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Sachen Mun-Sekte. Die Kündigung des damaligen Mietvertrags an die Munies nach dem Beschluß des Abgeordnetenhauses war vom Gericht zurückgewiesen worden; die Munies tagten.
Die AMK-Sprecherin Stark verweist im Falle DVU auch auf das grundgesetzlich garantierte Recht auf Versammlungsfreiheit. Die Vermietung der ICC-Räume sei Gesellschaftszweck, deswegen dürfe die AMK keinen Bewerber ablehnen. Nur wenn es sich um eine verbotene Vereinigung handele, könne ein Vertrag gekündigt werden. Wenn die Regel-Anfrage beim Verfassungsschutz negativ sei, werde jeder zugelassen.
Der Hinweis auf das Mun-Treffen aber hinkt. Die Philharmonie, die als nicht rechtsfähige Anstalt dem Kultursenator direkt untersteht, hatte nach der Enttarnung einer „konzertanten Veranstaltung“ als Mun-Treffen der Sekte kurzerhand den Saal wieder entzogen.
Die AL-Fraktion im Rathaus Schöneberg hat angesichts der Saalvergabe an die DVU erneut auf den Beschluß des Abgeordnetenhauses hingewiesen und verlangt eine verbindliche Regelung, damit es nicht „immer wieder zu solchen Vermietungen an rechtsradikale und fachistische Organisationen kommt“. Nun aber wollen die CDU-Abgeordneten sich nicht mehr an alte Beschlüsse erinnern. Auf der Abgeordnetenhaussitzung vom vergangenen Donnerstag wurde der Antrag nicht abgestimmt, sondern von der CDU/FDP-Mehrheit ohne Aussprache in den Wirtschaftsausschuß zur Beratung überwiesen. Nur: seit gestern haben die parlamentarischen Sommerferien begonnen, der Antrag wird also frühestens Anfang August beraten. Da sind die DVUler längst wieder zu Hause.
gn
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