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Berichtigung

Die Rechtschreibung ist der Hort der regelgeleiteten Entschlossenheit: Da gibt es nur entweder/oder. Für flexible und labile Gemüter, für liberale Geister und Agnostiker, wie in dieser Zeitung alleweil anzutreffen, also prinzipiell verächtlich, allein pragmatisch von Bedeutung. Hin und wieder spielt uns das Unbewußte einen Streich, und wir revoltieren, ohne es selbst zu merken, gegen die Gnadenlosigkeit des Systems. Durch eine Aufweichung der Kommaregeln, ein Löchlein hier, ein Überfluß dort, bringen wir die Verfaßtheit der Sprache ins Wanken, mit der Sprache die Welt und schließlich das ganze Schweinesystem.

— So weit waren wir, bis sich zeigte: der Strom des Lebens, in dem wir schwimmen wie die Fischlein in Exxon, fließt nicht unaufhörlich. West- Berlin, noch immer eine Insel und nicht am Tschernobyl-Netz wie der bevorzugte andere Teil, erlitt gestern einen zweistündigen Stromausfall, dem ein Korrekturgang am Bildschirm zum Opfer fiel. So sind also nicht nur Verletzungen der Kommaregeln zu beobachten und unnachgiebig zu ahnden, sondern weit schlimmere Vergehen, nämlich solche an der Poesie. Die Lyrikseite von Györgi Petri mußte mit Fehlern auf die Reise gehen, die im einzelnen aufzuzählen sinnlos ist: Wer sie gesehen hat, wird sie im Kopf berichtigt haben. Für alle anderen erklären wir uns unzuständig.

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