Berichterstattung vor Love Parade: Trommeln fürs Revier

"WAZ", "Bild" und WDR haben die Loveparade als PR für die Region und für die Kulturhauptstadt 2010 verkauft. Kritische Stimmen waren selten zu hören.

Der WDR hätte in seiner "Aktuellen Stunde" sicher gerne unbeschwerte Bilder vom feiernden Ruhrpott gezeigt - stattdessen sind entsetzte Polizisten und Sanitäter zu sehen. Bild: wdr/dpa

KÖLN taz | Die Presse machte mächtig Druck. "Warum darf die Loveparade 2010 nicht ausfallen?", fragte die Bild in ihrer Ruhrgebietsausgabe im Januar den Mann, der das größte kommerzielle Interesse an dem Event hatte: Rainer Schaller, der Organisator der Loveparade. Die Antwort Schallers, der den Techno-Trubel als Werbung für seine Billigfitnesskette McFit nutzt, war deutlich: "Zu kleinlich" werde die Diskussion um Kosten von 800.000 Euro geführt, die dem mit Milliardenschulden vor der Pleite stehenden Duisburg drohten. "Mehr als 100 Millionen Euro" habe 2008 die Loveparade nach Dortmund gespült, hinzu käme ein "gigantischer Marketingwert".

Als führende Regionalzeitung legte sich auch die Westdeutsche Allgemeine (WAZ) ins Zeug. Würde die Loveparade von der Duisburger Stadtverwaltung um CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland "ausgerechnet im Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt wieder abgeblasen, wäre es peinlich für das Revier", kommentierte die WAZ. Und nachdem Sauerlands Stadtverwaltung aller Sicherheitsbedenken zum Trotz grünes Licht gab, lief die Werbemaschine richtig an: "So geil ravt die Loveparade", schrieb Bild und zeigte knapp bekleidete Technofans.

Ganz groß stieg dieses Mal auch der WDR mit ein, dem die WAZ nach der Loveparade in Essen 2007 noch vorgeworfen hatte, "das Riesending vor seiner Haustür schüchtern zu verstecken". Auch der WDR-Jugendsender 1Live trommelte tagelang für die Party in Duisburg. In Endlosschleifen warb das Formatradio für seine "Rocker und Freunde"-Party, auf der nach der Loveparade weitergefeiert werden sollte. Am Samstag war selbst war auch das WDR-Fernsehen dabei.

Bis zur Katastrophe dürfte die Duisburger Stadtverwaltung das Gefühl gehabt haben, alles richtig zu machen. Zudem hatten die Bürokraten wohl das Schicksal des ehemaligen Bochumer Polizeipräsidenten Thomas Wenner vor Augen, der sich 2009 mit seinen Sicherheitsbedenken durchgesetzt hatte und daraufhin als Bedenkenträger abgekanzelt wurde. "So richtig peinlich" sei die Absage, befand die WAZ-Gruppe damals: "Bochum reißt die ganze Region mit rein. Wie stehen wir jetzt da?"

Dabei gab es auch Warnungen: "Nicht ungefährlich" sei das Gelände am Alten Güterbahnhof, schrieb Anfang des Jahres die konservative Rheinische Post, die dem Spektakel ablehnend gegenüberstand. Das Gelände in Duisburg gleiche "einer Trümmerlandschaft" und müsse saniert werden. "Wie das in der kurzen Zeit noch gehen soll, bleibt wohl das Geheimnis des Veranstalters."

Schockiert sind jetzt Journalisten wie der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen. Der gebürtige Duisburger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Europäischen Kulturhauptstadt "Ruhr 2010", räumt ein, vor der Veranstaltung zu kritiklos gewesen zu sein. Bei den Besprechungen im Vorfeld habe nie die Sicherheit, sondern das Geld im Vordergrund gestanden. "Ganz klar fühle ich mich auch mitverantwortlich", sagt Pleitgen jetzt, "aber eher im moralischen Sinne".

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