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Bericht über Facebook-HasskommentarWer schrieb den Mordaufruf?

Darf die taz den Namen nennen, unter dem die Billigung eines Mordes auf Facebook veröffentlicht wurde? Nun verhandelte das OLG Saarbrücken.

Hat wirklich jemand anderer unter E.S. Namen gepostet? Foto: reuters

Saarbrücken taz Dürfen Medien die Billigung eines Mordes auf Facebook zitieren und dabei den Namen nennen, unter dem der Post veröffentlicht wurde – oder müssen sie erst erforschen, wer unter diesem Namen in den sozialen Medien unterwegs ist? Über diese Frage verhandelt seit gestern das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. Es geht um die Klage des Versicherungskaufmanns E. S. gegen die taz.

Im Juli 2014 hatte die taz über einen Shitstrom auf der Facebook-Seite des Schriftstellers Akif Pirinçci gegen die Kasseler Sozialwissenschaftlerin und Feministin Elisabeth Tuider berichtet. Die Hetze gipfelte in einem Satz, der als Mordaufruf verstanden werden konnte. Die taz schrieb damals: „Ein E. S. hätte nichts dagegen, diesen Genderlesben 8x9 mm in das dumme Gehirn zu jagen“. (In der damaligen Veröffentlichung war der Autorenname ausgeschrieben.)

E. S. aus dem Saarland sah sich durch diese Berichterstattung in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und klagte. Er räumte zwar ein, dass das Zitat unter seinem Facebook-Account abgesetzt worden war, allerdings sei dies von einer ihm unbekannten dritten Person getan worden. Im März hatte S. vor dem Landgericht Saarbrücken Erfolg. Gemäß dem Urteil sollte die taz seinen Namen in dem Bericht tilgen und die Kosten des Rechtsstreits übernehmen. Die taz ging in Berufung. Am Mittwoch deutete die Senatsvorsitzende Anna Müller an, dass das OLG den Fall anders entscheiden könnte als die Vorinstanz.

Offen blieb die Frage, wer für den umstrittenen Satz verantwortlich war. E. S., der in der Verhandlung nicht anwesend war, ließ erklären, eine dritte Person habe sich seines Facebook-Accounts bemächtigt. Sein Rechtsanwalt Gregor Theado beklagte gestern, es gebe eine regelrechte Kampagne gegen seinen Mandanten. Wie und durch wen allerdings der Facebook-Account missbraucht worden sein soll, konnte er nicht erklären.

Von einer Schutzbehauptung sprach dagegen taz-Rechtsanwalt Stefan König: „Wenn unter meinem Namen etwas in die Welt gesetzt wird, dann trifft mich die Beweislast, dass ich es nicht war“, so König. Auch dem OLG sind die Erklärungen von E. S. offenbar zu dürftig. „Man muss schon fragen, wie nahe oder fern liegt etwas“, so die Senatsvorsitzende. Das Gericht will E. S. deshalb noch vor der Urteilsverkündung dazu persönlich anhören, notfalls per Videokonferenz.

Auch die Anforderung der ersten Instanz, vor Veröffentlichung eines Zitats müssten Journalisten grundsätzlich bei den möglichen Autoren nachfragen und im Zweifel auf die Nennung von Namen verzichten, sieht der Senat differenziert. „Was hätte man ihn denn fragen können?“, so die Vorsitzende. Schließlich habe die taz nur ein Zitat unstreitig „wortwörtlich“ wiedergegeben. taz-Anwalt König wies darauf hin, dass in dem Artikel nicht einmal eine bestimmte natürliche Person genannt worden sei, sondern lediglich „ein“ E. S. Folge man dem Urteil der ersten Instanz, könne jeder Hassbotschaften posten und sich hinterher herausreden, so König.

Die Senatsvorsitzende wollte sich gestern nicht endgültig festlegen. Die Nennung des Zitatautors könne zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber möglicherweise zulässig gewesen sein, inzwischen, zwei Jahre nach der Berichterstattung, müssten die Persönlichkeitsrechte des Klägers vielleicht höher bewertet werden: „Man könnte den Artikel aus dem Internet nehmen oder nur noch die Anfangsbuchstaben des Namens nennen“, regte die Senatsvorsitzende an.

Das Urteil soll am 18. Januar fallen.

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4 Kommentare

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  • Die Hetzkampagnen werden immer häufiger. Als Gerüchte fließen sie in die Köpfe von Menschen ein, die dann tatsächlich Gewalttaten, Brandanschläge und schlimmere Verbrechen begehen. Die Verbreitung ist einfach, ein Stopp ist per Gesetz wichtig. Deswegen hat die Presse sogar die Aufgabe, solche Personen kenntlich zu machen, damit es eine Abschreckung gibt.

    In diesem Fall ist das Gericht in der Lage, den Kläger für seine Behauptung zu einer "Eidesstattlichen Versicherung" zu bewegen, die vor einem anderen Gericht abgelegt wird. Damit macht sich ein Prozessbeteiligter - auch bei Zivilprozessen - strafbar. Wenn die Behauptung in der Klage gegen die TAZ vereidet wird, macht er sich selbst strafbar.

    Meistens ziehen sie ihre Klage zurück.

  • Wie üblich stehen die rechtsextremen Hassposter nicht zu ihren Taten. Wenn die Schreibtischtäter bei ihrer Lieblingsbeschäftigung - Morddrohungen schreiben - ertappt werden und für die Öffentlichkeit transparent gemacht wird, wer die Hassbotschaften absetzt, dann reagieren die Rechten immer so wehleidig und fühlen sich als arme Opfer. Und dann auch noch diese vorhersehbaren Ablenkungsmanöver, von wegen "mein Account wurde gehackt" oder "ich bin auf der Maus ausgerutscht". Die Nazis wollten nach 1945 auch nie etwas gewusst haben von ihren eigenen Verbrechen.

    • @Rudeboy:

      Nur bei Rechtsextremen?

      Nein, die Anonymität suchen in gleichem Maß auch Linksextreme.

      Und war es nicht Oberzensor Maas, der von ihm getwitterte Nachrichten leugnete: Diese stammten von seinem Social Media-Team, das gar nicht existierte!

  • Nachher müsst ihr noch bei jedem Artikel in dem ein Trump-Tweet zitiert wird (also fast immer), erst nachfragen ob @realdonaldtrump zum dem Zeitpunkt wirklich Trump war.