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Beobachtet in fernen Landen

Scharfe Analysen und neue Beispiele – ein empfehlenswerter Band zum Thema Dritte-Welt-Tourismus mit kritischen Analysen und Fallstudien aus unterschiedlichen Ländern  ■ Von Edith Kresta

„Unterwegs in Sachen Reisen“ waren ASA-StipendiatInnen. Herausgekommen ist ein sehr differenziertes und vielfältiges Buch zum Thema Dritte-Welt-Tourismus. Die Analysen und Fallbeispiele zur touristischen Entwicklung der unterschiedlichsten Länder und Regionen in Afrika, Asien und Lateinamerika heben sich wohltuend von der oft phrasenartig gehandelten Kritik am Dritte-Welt-Tourismus ab: Bei genauer Beschreibung und Betrachtung der Problematik müssen inhaltsgeschwängerte Worthülsen auf ihren Gehalt abgeklopft werden. Der Band bietet Recherchen, Gespräche mit Beteiligten und Betroffenen und eine Auseinandersetzung mit dem grenz- und kulturüberschreitenden Tourismus unter den verschiedensten Blickwinkeln. Die Auswahl der Fallbeispiele reicht unter anderem vom türkischen Dalyan, China, Nordthailand, den Ansätzen im revolutionären Nicaragua bis hin zur kritischen Selbstreflexion eines Wissenschaftstourismus. So werden unterschiedlichste touristische Formen und Entwicklungsstrategien abgedeckt. Allseits benutzte Schlagworte in der Tourismuskritik wie beispielsweise kultureller Ausverkauf oder neuer Kolonialismus werden durch die Untersuchungen vor Ort mit konkreten Fakten und Argumenten gefüllt. Diese zeigen deutlich, daß sich der kurzfristige ökonomische Gewinn auf die Dauer nicht alleine rechnet.

So zeigen Gabi Sester am Beispiel des türkischen Dalyan und Nicole Häusler am Beispiel des indischen Goa, daß Kultur keine feststehende, sondern eine sich widersprüchlich entwickelnde Größe ist. Der Tourismus schubst sie nur mehr oder wenig aggressiv in eine bestimmte Richtung.

Wer diese Richtung im internationalen Tourismus vorgibt, darüber lassen die kritischen Untersuchungen keinen Zweifel: Die Bereisten sind zumeist nur Zuschauer und nicht „Subjekte“ dieses touristischen „Kulturwandels“. An den vorrangigen Interessen der lokalen und regionalen Bevölkerung gehen die touristischen Projekte vorbei. Der Prozeß wird hauptsächlich von den Interessen ausländischer Anbieter und Abnehmer gesteuert.

Dieses Fazit des Buches ist weder sonderlich überraschend noch neu. Neu allerdings ist die Sammlung von Beispielen und Studien, die den in der modernen Tourismusdiskussion vernachlässigten Aspekt Dritte-Welt-Tourismus fundiert untersuchen und scharf analysieren. Nachdem das Augenmerk der europäischen Tourismuskritik ganz und gar dem „grünen Tourismus“ gehört, ist das Buch ein wertvoller Beitrag zur Diskussion um emanzipatorische Ansätze in der Entwicklungs- und Tourismuspolitik hinter den Grenzen eines gegrünten Europas.

„Unterwegs in Sachen Reisen – Tourimusprojekte und Projekttourismus in Afrika, Asien und Lateinamerika“, ASA-Programm Carl Duisberg Gesellschaft e.V., Verlag Breitenbach Publishers, 1993.

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