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Benjamin Moldenhauer Popmusik und Eigensinn„Adorno hätte geschossen“

Einer der vielen Hits der Irie Révoltés heißt „Antifacista“, und der geht so: „Ich wurde so geboren / Ich werde so bleiben bis ich ­sterb / Ich wurde so geboren / Antifaschist für immer, für immer“. Das Zentralorgan der deutschen Bourgeoisie, die FAZ, vernahm „ein Lied, das Faschisten, Nazis und Ultrakapitalisten ins Gesicht spuckt“, und man tut der Band bestimmt kein Unrecht, wenn man diese Einschätzung als Indiz für ihr eher geringes Irritationspotenzial nimmt. Ungerechter wiederum ist da eventuell der unmittelbar subjektive Eindruck: Wenn man sich Irie Révoltés live anschaut und hört, wie Tausende junge Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben, selig „Ich wurde so geboren / Ich werde so bleiben bis ich ­sterb“ singen, kann einem schon klamm ums Herz werden.

Das Versprechen dieser Musik ist ein schlichtes: Die Revolte ist ein frohsinniger Offbeat, verbunden mit der Aufforderung, im Gleichschritt zu hüpfen. Ihr Identitätsangebot: Du bist gut, ich bin gut, wir sind in Ordnung, weil wir gut und gegen Nazis sind. Verbunden mit der Versicherung, dass Gutsein an sich kein Problem ist, man muss es halt wollen. Und man will es, weil man gut ist.

Tatsächlich paradox wird es, wenn man Forderung und Musik miteinander abgleicht. Die nämlich zerdullert, ohne es zu ahnen, wohlgemerkt, jede Erinnerung an die Möglichkeit von Freiheit. Zum einen, indem sie die Message über die Form stellt; was man hört, ist, als schlichtes Transportmittel, bocklangweilig und vorhersehbar wie der sonstige deutsche Indie-Schlager eben auch. Vor allem aber, weil die Band darauf insistiert, dass das alles jetzt schon da ist, wenn man sich nur aktiviert, also mal am Riemen reißt und eifrig drauflos kämpft: „Freiheit / und zwar jetzt / ich wag den Aufbruch / Ich werde nie mehr sein, was ich soll / sondern werden wie ich bin“. Adorno hätte geschossen.

Irie Révoltés spielen am Donnerstag, 12. 10., um 20 Uhr im Pier 2

Das vorgeschoben paradoxe „werden“ in „werden wie ich bin“ ist natürlich geflunkert. Auch hier geht es wieder ums „bleiben“. Es geht, wie eigentlich immer, wenn Musik, Text und Gestus eins zu eins gedacht sind, um die Feier der Identität, in diesem Fall: lebendig, jung, bunt und kreativ, gegen Nazis, gut halt. „Denn heute ist der Tag / heut’wird alles anders / so wie’s niemals war / Machen’s jetzt / machen los, machen neu / stellen die Welt auf den Kopf!“ Loslegen, dabei sein, aktiv werden – bei dieser Band sind die Kräfte am Werk, denen angeblich die große Weigerung gilt, so viel ist mal sicher.

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