: Bemühungen um Waffenstillstand
Während die schwersten Kämpfe, die El Salvador in den letzten zehn Jahren erlebt hat, stündlich neue Opfer fordern, bemühen sich verschiedene Kräfte um die Vermittlung eines Waffenstillstandes, allen voran die Katholische Kirche. Nachdem sogar Papst Johannes PaulII. für eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten eingetreten ist, hat sich Präsident Cristiani nun bereit erklärt, diese Möglichkeit „zu prüfen“. Erzbischof Rivera y Damas erklärte am Freitag, er hätte mit der FMLN - auf höchster Ebene Kontakt aufgenommen und sich deren grundsätzliche Bereitschaft zu einer Waffenruhe zusichern lassen. Auch die Präsidenten von Costa Rica und Venezuela haben ihre Dienste angeboten. Und am Sonntag traf der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, Joao Clemente Baena Soares, in San Salvador ein. Auch er wird zu den möglichen Mittlern gezählt. Die Mission sei alles andere als einfach, erklärte ein ausländischer Kirchenmann. Die FMLN werde nämlich nur dann einwilligen, wenn sie ihre Stellungen halten darf. Und Cristiani müsse vor jeder Entscheidung Rücksprache halten.
Die Armee wiederum will die Präsenz der Guerilla in der Hauptstadt auf keinen Fall akzeptieren. Nach den Worten des Vizepräsidenten Merino wird die Regierung eine Waffenruhe nicht akzeptieren, wenn dadurch der Vormarsch der Armee gegen die Stellungen der Aufständischen gestoppt werde. „Das ist es doch, was die Terroristen erreichen wollen“, wetterte der als Rechtsaußen bekannte Vizepräsident und Innenminister, „daß das Ausland sich einmischt, damit sie ihre Positionen halten können.“ Und Oberst Roberto Staben sprach deutliche Worte, als er über „die Gelegenheit“ jubelte, „auf die wir immer gewartet haben: Jetzt können wir die Terroristen vernichten.“
Diese Stimmung bekommen auch die zivilen Oppositionsgruppen zu spüren. Zwölf ausländische Mitarbeiter der Lutherischen Kirche, darunter sechs bundesdeutsche, die am Donnerstag von der Finanzpolizei verhaftet, verhört und 24 Stunden festgehalten wurden, kamen nicht ohne weiteres frei; sie mußten sich bereiterklären, umgehend das Land zu verlassen und ein Dokument zu unterzeichnen, in dem sie zugeben, Terroristen zu sein.
Während die kirchlichen Mitarbeiter noch relativ glimpflich davon kamen, wurden neun Personen, die Mittwoch im Lokal der „Comadres“ verhaftet wurden, zwei Tage lang mißhandelt. Die Comadres sind eine Organisation der Angehörigen von Verschwundenen, Ermordeten und politischen Gefangenen. Die 41jährige Brenda Hubbard und der 30jährige Eugene Terrel, US -Amerikaner, die mit den Comadres zusammengearbeitet hatten, wurden zwei Tage und Nächte lang mißhandelt. In der Gegenwart eines Vertreters ihres Konsulats mußten sie unterschreiben, daß sie physisch und moralisch gut behandelt worden seien. „Ich mache mir vor allem Sorgen um die sieben Salvadorianer, die noch schwerer gefoltert wurden und die sich noch in Gewahrsam der Finanzpolizei befinden“, sagte Brenda Hubbard, die deutlich unter dem Schock der Ereignisse stand.
Nach dem wahnwitzigen Mord an Ignacio Ellacuria, dem Rektor der Jesuitenuniversität, und fünf weiteren Patres, hat die extreme Rechte kaum noch Hemmungen. Am Freitag waren Soldaten der 1.Infanteriebrigade vor dem Sitz des Erzbischofs aufgetaucht und hatten über Lautsprecher verkündet: „Ellacuria ist schon gefallen. Laßt uns weiter Kommunisten morden.“ Nach der Ermordung der Jesuiten sind viele Gewerkschafter, Kirchenhelfer, Akademiker und Oppositionspolitiker untergetaucht. Der Sozialdemokrat Guillermo Ungo, Chef des Linksbündnisses Convergencia Democratica, zog es am Wochenende vor, nach Venezuela ins Asyl zu gehen. Weitere Oppositionspolitiker, die noch in ausländischen Botschaften Schutz suchen, werden wahrscheinlich auch ins Exil gehen.
Nach einer Reihe anonymer Drohungen ist am Samstag auch die nicaraguanische Botschaft evakuiert und das gesamte Personal nach Managua ausgeflogen worden. Schließlich ging der Generalstaatsanwalt Mauricio Colorado, der sich in Zukunft unangenehme Arbeit ersparen will, soweit, einen Brief an den Papst zu schreiben. Der Vatikan möge alle Geistlichen, die der „fraglichen Ideologie der Kirche der Armen“ nahestünden, aus El Salvador abziehen. „Große Teile der Öffentlichkeit“, so Colorado weiter, sind der Meinung, daß die Bischöfe die Schuld an den blutigen Kämpfen tragen. Wir sind der Ansicht, es ist tausendmal besser, Dinge zu vermeiden, als zu vermitteln“, erklärte der Generalstaatsanwalt. „Vorbeugen ist besser, als nachher die Täter auszuforschen.“ Die Politiker haben offenbar immer weniger und die Militärs und Paramilitärs immer mehr zu sagen. Dieses Panorama läßt die Erinnerung an die frühen achtziger Jahre aufleben, als in El Salvador der nackte Terror regierte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen