Belegschaft will zur WM tagen: Bahner haben die Nase voll
Weil die Geschäftsführung Entlassungen nicht ausschließt, drohen S-Bahner mit Betriebsversammlung zu der Leichtathletik-WM.
Die Belegschaft der S-Bahn könnte aus Protest gegen weitere Entlassungen während der Leichtathletik-WM den Betrieb für einen Tag lahmlegen. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Volker Hoffmann bestätigte am Donnerstag Überlegungen, eine Betriebsversammlung zum Thema Personalabbau einzuberufen. Ort und Zeit stünden noch nicht fest. Der neue Geschäftsführer der S-Bahn, Peter Buchner, warnte den Betriebsrat davor: "Öffentliche Drohgebärden zum jetzigen Zeitpunkt sind absolut unverantwortlich und schaden der S-Bahn und ihren Mitarbeitern."
Die derzeit noch knapp 3.000 Mitarbeiter fürchten weitere Entlassungen bei der S-Bahn. Nach alten Plänen sollen mehr als 400 Mitarbeiter entlassen werden - etwa die, die auf den Bahnhöfen Aufsicht führen. Ein Streik gegen den Stellenabbau ist nicht erlaubt - nur bei einem Tarifkampf dürfen Arbeitnehmer in den Ausstand treten. Doch die Beschäftigten haben Anspruch darauf, an einer Betriebsversammlung teilzunehmen. Wenn die sich länger hinzieht und genug Mitarbeiter kommen, kann der Betrieb für einen Tag lang durchaus empfindlich gestört werden. Bei Auseinandersetzungen mit Arbeitgebern kommt es häufiger vor, dass Betriebsräte solche Versammlungen demonstrativ einsetzen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die S-Bahnen würden dann im Depot bleiben.
Die Geschäftsführung lehnt einen solchen Schritt ab: "Gerade jetzt müssen wir zusammenstehen und dafür sorgen, dass das internationale Großereignis Leichtathletik-WM mit der bestmöglichen Beförderungsleistung der Berliner S-Bahn unterstützt wird." Auch der CDU-Vorsitzende Frank Henkel sprach von einem "verheerenden Bild nach außen". Er forderte zugleich die S-Bahn auf, von Entlassungen Abstand zu nehmen.
Die S-Bahn gab außerdem bekannt, dass der Leiter des Bereiches Fahrzeuginstandhaltung "mit sofortiger Wirkung" von seinen Aufgaben entbunden worden sei. Einen Grund dafür teilte das Unternehmen nicht mit. Wegen der Wartungs- und Betriebsprobleme bei dem Berliner Nahverkehrsunternehmen war Anfang Juli bereits die komplette vierköpfige Geschäftsführung zurückgetreten. Zuvor hatte das Eisenbahnbundesamt herausgefunden, dass die S-Bahn die zugesagten Intervalle zur Wartung ihrer Züge und zur Auswechslung von Rädern nicht eingehalten hatte.
Der Betriebsrat hatte der Deutschen Bahn wiederholt vorgeworfen, ihr Tochterunternehmen S-Bahn trotz vieler Warnungen mit unverantwortlichen Gewinnvorgaben "totgespart" zu haben. Allein in den Werkstätten seien in den letzten Jahren 324 Fachkräfte eingespart worden, die jetzt zur Bewältigung der Probleme fehlten.
Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) hatte darauf hingewiesen, dass sich beispielsweise die Zahl der Weichenstörungen von 2.500 im Jahr 2003 auf 4.700 im Jahr 2008 fast verdoppelt hat. Die Zahl der Signalstörungen stieg im gleichen Zeitraum von 8.300 auf 13.800. Der VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz verlangte ebenso wie Politiker aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien von der Leitung des Bahnkonzerns ein Umsteuern und ausreichende Investitionen, um einen zuverlässigen S-Bahn-Verkehr sicherzustellen. SEBASTIAN HEISER
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