Belarus im russischen Machtkampf: Wagner-Lager in Belarus?

Minsk hat im Macht­kampf zwischen Putin und Prigoschin vermittelt. Für die belarussische Bevölkerung verheißt das nichts Gutes.

Wagner-Soldaten auf einem Panzer

Rostow am Don am Samstag: Truppen der Wagner-Gruppe proben den Aufstand Foto: Vasily Deryugin/Kommersant Publishing House via ap

MINSK taz | Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist am Morgen mit einem Geschäftsflieger am Flugplatz Machulishchy, unweit der Hauptstadt Minsk, angekommen. Das bestätigte der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko am Dienstagnachmittag. Parallel kam ein weiterer Flug aus Sankt Petersburg an. Wer an Bord war, blieb zunächst unklar. Zudem berichtete ein staatlicher Lokalsender, dass in Osipovichi, südlich von Minsk, ein Lager für die Wagner-Truppen gebaut werde.

Bereits am Montag hatte ein russisches Boulevardmedium über die mögliche Einrichtung solcher Lager für Wagner-Söldner in Belarus berichtet. Angeblich deshalb wurden bereits vor einem Monat Grenzschützer in die südliche belarussische Region Witebsk geschickt.

Der Auftritt von Alexander Lukaschenko am Wochenende als Friedensstifter und Vermittler hat in den sozialen Medien von Belarus viele Reaktionen hervorgebracht. Der Tenor: Lukaschenko ist lediglich ein Vasall Wladimir Putins – und er tut, was ihm der Kreml sagt.

Politische Analysten in Belarus waren die ersten, die über die Inszenierung dieser Wagner-Show gesprochen haben. Nach ihrer Ansicht war einer der Gründe für den Aufstand am Wochenende die Unfähigkeit des „Arbeitgebers“, vertreten durch das russische Verteidigungsministerium, für die „Dienste“ von Wagners Söldnern zu bezahlen. Es heißt, dass Putins Verteidigungsministerium langsam das Geld für den Krieg ausgehe. Es gibt keine Narren, die umsonst kämpfen.

Lukaschenko kann die Wagner-Gruppe kaum finanzieren

Putins Aufgabe ist es nun, mit den Wagner-Söldnern eine Lösung zu finden. Und es gibt eine sehr grausame und beängstigende Lösung. Warum? Weil die 25.000 Kämpfer für die restliche Bevölkerung eine Bedrohung darstellen. Ihre Amnestie ist die Erlaubnis, in ihre Häuser zurückzukehren und mit den Dorfnachbarn abzurechnen, die ihnen einst Unrecht getan haben. Sie werden rauben und töten. Einfach, weil sie es können. Das sind wirklich böse Menschen ohne Prinzipien, die für Geld alles tun würden.

Wird Lukaschenko in der Lage sein, diese Armee zu erhalten, zu unterhalten und zu finanzieren? Wohl kaum. Zwei oder drei Generäle, vielleicht, aber das gesamte Personal wird gehen, um belarussische Städte und Dörfer zu plündern. Offen gesagt, Lukaschenko kann es sich nicht leisten, teure Söldner zu unterhalten, die sich Putin nicht leisten könnte. Er kann nur dem Geschäftsmann Prigoschin einen schnellen Transit nach Afrika ermöglichen.

Die private Militärfirma Wagner, die aus Söldnern besteht, welche aus Gefängnissen entlassen wurden, haben nichts zu verlieren. Sie sind wütend, bewaffnet und verstehen Gerechtigkeit nur durch die Anwendung von Gewalt. Ihr Marsch war nicht nur beängstigend – sie zeigte auch, dass der russische Koloss seinen letzten Atemzug getan hat. Kremlchef Putin hat jetzt in erheblichem Maße an Ansehen verloren. Und das wird er nicht verzeihen. Er ist klein und rachsüchtig.

Gerade erzählte mir ein Freund, er müsse Belarus demnächst verlassen: „Janka, ich habe gewettet, dass alles bis Dezember dieses Jahres geklärt sein würde. Ich habe mich geirrt. Es wird sogar ein oder zwei Monate früher sein. Denn wenn man auf einem hohen Baum sitzt und an dem Ast, auf dem man sitzt, gesägt wird, fällt man einfach als Idiot. Zwangsläufig. Und das tut richtig weh.“

Aus dem Russischen von Gemma Terés Arilla

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