Beklemmender Alltag in Honduras: Putschisten legen das Land lahm
Hamsterkäufe, Plünderungen und viel Militärpräsenz: Die neuen Machthaber verhängen eine Ausgangssperre. Rätselhaft bleibt, wie Präsident Zelaya die Rückkehr ins Land gelang.
Die Szenerie erinnert an die dunkelsten Zeiten der honduranischen Militärdiktatur in den Achtzigerjahren: Olivgrüne Uniformen, wohin man auch sieht. Das Zentrum des militärischen Aufmarschs ist die brasilianische Botschaft in der Hauptstadt Tegucigalpa. Gut 1.000 Soldaten schneiden das Gebäude im besseren Wohnviertel Palmira von der Außenwelt ab. Drinnen harrt seit Montag der gestürzte Präsident Manuel Zelaya zusammen mit ein paar dutzend Anhängern und dem diplomatischen Personal aus. "Ich fühle mich wie in einem Gefängnis", sagte er am Mittwoch vor Journalisten.
Nicht nur Zelaya, alle Honduraner sind eingeschlossen. Putschpräsident Roberto Micheletti verhängte am Montag eine Ausgangssperre über das ganze Land, die er erst am Mittwoch für wenige Stunden aufhob, um der Bevölkerung Gelegenheit zum Einkaufen zu geben. Die fast ausgestorbene Hauptstadt füllte sich schlagartig mit Menschenmassen. Vor Tankstellen und Banken bildeten sich lange Schlangen. Konten wurden abgeräumt, weil viele Läden kein Plastikgeld, sondern nur Cash akzeptierten. Die an den Grenzen aufgehaltenen Lastwagen wurden durchgelassen. Bis sie ihre Waren nach Tegucigalpa gebracht hatten, war die Ausgangssperre aber wieder in Kraft. Aus Furcht vor Plünderungen verbarrikadierten Läden ihre Schaufenster.
Zelaya windet sich heraus, wenn er gefragt wird, wer ihm bei seiner Rückkehr geholfen hat. Sicher ist bislang nur, dass Venezuelas Präsident Hugo Chávez ein Flugzeug zur Verfügung gestellt hat, mit dem Zelaya am Sonntag in El Salvador gelandet war. Das Flugzeug startete wieder. Wohin und ob mit oder ohne Zelaya ist unklar. Die rechte Opposition in El Salvador streut das Gerücht, eine Delegation der linken Regierungspartei FMLN habe ihn aus dem Flughafen geschmuggelt und zur Grenze gebracht. An den beiden offiziellen Übergängen ist den Grenzern nichts aufgefallen. Es gibt aber auch unzählige unkontrollierte Feldwege, die gern von Schmugglern und Drogenhändlern genutzt werden. Auf dem weiteren Weg nach Tegucigalpa, sagt Chávez, sei Zelaya im Kofferraum eines Autos versteckt gewesen. Doch dieser schweigt. Je weniger man weiß, desto schneller wird eine Heldenlegende daraus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind