piwik no script img

Bekannte Fragen

■ Die neuen Praktiken beim Grenzverkehr / Besonderes Interesse an DDR-Mark und „Druckschriften“

Der Alltag hat die Ostberliner Grenzbeamten wieder zurück. „Das ist ja wie vor der Grenzöffnung am 9.November“, beschweren sich manche Westberliner, die die Grenze wechseln wollten.

Und in der Tat: Wer in die DDR oder nach Ost-Berlin einreist, wird wieder mißtrauisch angeguckt, mechanisch nach Waffen und Druckschriften abgefragt. Bei der staatlichen Suche nach Verbotenem müssen zwei Hamburger Twens am Grenzübergang Prinzenstraße das Handschuhfach in ihrem alten Mercedes öffnen. Nach dem kurzen Blick ins Chaos befiehlt der Beamte mißtrauisch: „Nehmen Sie mal Ihre Jacke vom Rücksitz.“ Dann darf der beige Daimler weiterfahren.

An der Bornholmer Straße muß eine Journalistin den Inhalt ihrer Handtasche auspacken, weil ein Beamter wissen will, „was für Druckschriften“ die Frau mit sich führt. Nach einem kurzen Blick auf die taz und die 'Morgenpost‘ läßt er sie passieren. Und selbst Regier-Chef Momper hatte schon Ärger. Er sollte die „Zählkarte“ sofort bei der Einreise ausfüllen. Ein höherer Dienstgrad in der Hierarchie der Grenzorgane bestätigte dem erzürnten Bürgermeister dann aber, daß die Karte erst bei der Ausreise ausgefüllt werden muß.

Aber nicht immer sind die DDR-Organe mit ihrem Mißtrauen und Verdächtigungen vorschnell und übereifrig. Wer gestern zu Fuß die Grenze an der Prinzenstraße passierte, wurde von einem freundlichen Zollbeamten-Pärchen einfach ignoriert keine Frage nach dem Inhalt des Portemonnaies oder der Umhängetasche. Pech hatte nur eine vierköpfige Besatzung eines weißen Opel Kadetts aus West-Deutschland. Die vier wurden aus der Ausreiseschlange gewunken, mußten aussteigen, erst die Jacken und dann den Kofferraum öffnen. Ein kurzer Blick unter die Klappe des Kleinwagens verschaffte dem Zöllner mit Fellmütze aber schon die nötige Genugtuung.

Sie würden nach unerlaubter Ausfuhr von DDR-Mark suchen, gibt die Zollbeamtin am Fußgängerüberweg dem taz-Reporter an: „Sie wissen ja, Ausverkauf der DDR ...“ Ob sie und ihr Kollege seit Öffnung der Mauer bereits DDR-Geld beschlagnahmt haben, wollen beide nicht verraten. Der Kollege will nicht genauer erläutern, was nicht in die DDR mitgenommen werden darf: „Es gelten die gleichen Bestimmungen wie vor dem 9.November“.

Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen