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Bekämpfung von SteuerhinterziehungKauf von Steuer-CDs ist in Ordnung

Rheinland-Pfalz durfte einen Datenträger kaufen, entscheidet der Verfassungsgerichtshof des Bundeslandes. Das Gericht setzt aber Grenzen.

Ohne Staatseinnahmen kein Sozialstaat: Der Ankauf von Datenträgern kann Steuerkriminalität aufklären. Bild: dpa

FREIBURG taz | Der Koblenzer Verfassungsgerichtshof hat gestern Ankauf und Verwertung der ersten von Rheinland-Pfalz beschafften Steuer-CD gebilligt – aber dabei Grenzen für künftige Einkäufe aufgestellt. Es dürfe keinen Automatismus geben, so die Richter. Rheinland-Pfalz hatte die CD, die Gegenstand des Verfahrens war, 2012 für 4,4 Millionen Euro beschafft. Nach Angaben des Landes dokumentierte sie Steuerhinterziehung von über 500 Millionen Euro.

Geklagt hatte ein Unternehmer aus Trier, dessen Name sich auf der CD befand. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Steuerfahndung bei ihm Unterlagen zu einem Konto in Luxemburg, auf dem er rund 700.000 Euro deponiert hatte. Da die Zinsen nicht versteuert wurden, rechnete der Fiskus mit rund 60.000 Euro an hinterzogenen Steuern.

Doch der Mann ging vor Gericht. Ankauf und Verwertung der CD hätten sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt, so seine Argumentation. Der Staat dürfe sich nicht als Hehler gestohlener Daten betätigen. Die Durchsuchung sei deshalb rechtswidrig. Das Landgericht Koblenz billigte jedoch die Verwertung der CD. Dagegen legte der Betroffene Landes-Verfassungsbeschwerde ein.

Der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof erklärte nun die Verwertung der Daten im Fall des Unternehmers für rechtmäßig. In der Abwägung mit den Rechten des Beschuldigten überwiege das Interesse an einer „funktionstüchtigen Strafrechtspflege“. Allerdings dürfe es auch „keine Wahrheitsfindung um jeden Preis“ geben. Der Staat dürfe sich nicht darauf verlassen, dass er illegal beschaffte Daten stets verwenden könne.

Nicht selbst strafbar

Zwar gehen die Koblenzer Richter davon aus, dass sich Finanzbeamte beim Ankauf von illegal beschafften Steuerdaten nicht selbst strafbar machen. Allerdings könne das illegale Handeln von Privatpersonen dem Staat unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Etwa wenn der Staat automatisch alle angebotenen Steuer-CDs aufkaufe und so eine Anreizwirkung für Privatpersonen zur illegalen Beschaffung von Daten entstehe. Das könne dann zu einem Verwertungsverbot der Daten führen.

Die Koblenzer Richter gehen damit über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2010 hinaus, das zwar die Verwertung von Steuer-CDs erlaubte, sich aber nicht mit dem Ankauf beschäftigte. Die Koblenzer Entscheidung gilt direkt zwar nur für die Rechtslage in Rheinland-Pfalz, dürfte aber die Diskussion bundesweit beeinflussen.

(Az.: VGH B 26/13)

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4 Kommentare

 / 
  • L
    Lowandorder

    Gemach -

     

    ich versteh's so, daß der VGH RP

    als Grenze das Übermaßverbot konkretisiert hat;

     

    korrekt -

    dieses Verfassungsgebot als Ausprägung

    des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

    bindet jegliche staatliche Gewalt;

    und - die Einschätzung, wann genau die

    beschworene Gefahr des geschäftsmäßigen

    Anbietens vorliegt, liegt zunächst bei den

    zuständigen Behörden, wohl mit entsprechender

    Einschätzungsfreiheit.

     

    kurz -

    Dieser ja eher schwarzer VGH hat cool

    eine solide staatstragende Latte für

    weiteres aufgelegt; wie zu erwarten konsequent.

  • Ich finde es bedenklich, ja gar nationalsozialistisch, wenn die Staaten die Rechte der Identitaetsmissbrauchsopfer zur Anlage nicht wahren, die Klagen ablehnen, die Schadenszahlungen durch jahrelange Fehlberatung durch staatliche Stellen ablehnen und statt dessen Steuercds kaufen. Aber TAZ Leser wissen das ja. HA HA HA

  • Was ist schlimmer, Massenmord oder Steuerhinterziehung ? Wenn die USA bei Bekämpfung des al-Quaida-Terrors (deeWas ist schlimmer, Massenmord oder Steuerhinterziehung ? Wenn die USA bei Bekämpfung des al-Quaida-Terrors (der

    für die Ermordung Tausender US-Bürger am 11. September 2001 verantwortlich ist) die Souveränität anderer Nationen missachten, ist die Empörung gross. Wenn Deutschland bei Verfolgung von Steuerhinterziehern die Souveränität anderer Staaten (schweiz u.a.) missachtet, gilt das als legitim. Also ist Steuerhinterziehung schlimmer als Massenmord ?!

    für die Ermordung Tausender US-Bürger am 11. September 2001 verantwortlich ist) die Souveränität anderer Nationen missachten, ist die Empörung gross. Wenn Deutschland bei Verfolgung von Steuerhinterziehern die Souveränität anderer Staaten (schweiz u.a.) missachtet, gilt das als legitim. Also ist Steuerhinterziehung schlimmer als Massenmord ?!

  • RW
    Rainer Winters

    Ausgerechnet ein Trierer geht vors höchste Gericht. Denn zum ersten Mal haben sich im Einflussgebiet der Stadt Trier im Jahr 2013 mehr Asoziale angezeigt mit Steuerzufluchtsort Liechtenstein als mit Steuerzufluchtsort Schweiz.

     

    Nachdem Rheinland-Pfalz eine Steuer-CD gekauft hat, hat das Land bis zum 30.09.2013 bereits 78 Millionen Euro Vorabkasse von selbst angezeigten Asozialen erhalten. Ein deutlicher Anstieg zu 2011 und 2012. Nur 2010 gabs mehr als 100 Millionen:

     

    2. 23 Millionen Euro (2012)

    3. 19 Millionen Euro (2011)

    4. 106 Millionen Euro (2010)

     

    Der Hammer ist aber die Straffreiheit. Wenn Otto Normalverbraucher eine Bank überfällt, und dann sagt, er gibt das Geld zurück, dann kommt er trotzdem in den Knast.

     

    Anders läuft es bei den Reichen, die so viel Einfluss haben, dass sie straffrei ausgehen oder sogar Tausende Euros an für Gerichtsverfahren und Rechtsanwälte ausgeben kann. Hier läuft was falsch.

     

    Laut Statistischem Bundesamt gab es 2009 162.375 Steuerpflichtige (einzeln sowie gemeinsam Veranlagte), deren Einkünfte (abzüglich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von mindestens 216.000 Euro (12 * 18.000)) im Durchschnitt 525.538 Euro pro Jahr betrug.

     

    Es gibt noch einen Haufen Geld zu holen, aber die Straffreiheit ist ein Schlag ins Gesicht von Normalos.

     

    Welches Signal des Verfassungsgerichtshofs soll denn das jetzt gewesen sein? War das ein WEITER SO (mit heimlichen Zeigefinger)? Meines Erachtens zeigen sich hier selbst die höchsten Richter als Pragmatiker nach dem Prinzip: OK, das Geld haben wir, und nächstes Mal tun wir wieder so, also ob ... Also was denn nun? Ist es korrekt oder nicht korrekt?

     

    Mit dem Richterspruch kann keiner etwas anfangen.