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Beispielhafte PleitestadtOberpleite, Oberhausen

Wie lebt es sich in jener deutschen Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung? Nachts Bus fahren ist in Oberhausen auf jeden Fall zum Problem geworden.

Auch ohne den verstorbenen Paul gehört das Sea Life Oberhausen noch zu den wenigen Anziehungspunkten in der Stadt.

Der Bücherbus fährt nicht mehr, das Musiktheater ist schon vor langem geschlossen worden, auch vier der einst sieben städtischen Bäder sind dicht - Oberhausen ist pleite. Und nichts davon hat etwas genutzt, ebenso wenig wie die Streichung von mehr als tausend öffentlichen Stellen oder die Schließung von Schulen und Sportstätten.

Mit der Schließung der Kohlezechen und Stahlwerke ging es mit der im westlichen Ruhrgebiet gelegenen Stadt vor Jahrzehnten abwärts. Zehntausende Arbeitsplätze fielen weg, ebenso Steuereinnahmen. Dagegen stiegen die Sozialausgaben drastisch. Die Stadt musste immer wieder hohe Kredite aufnehmen, entsprechend hoch ist der Altschuldenbestand.

Bis heute hat sich Oberhausen vom erzwungenen Strukturwandel nicht erholt, trotz moderner Anziehungspunkte wie CentrO, Sealife-Center und Gasometer. Die Arbeitslosenquote lag im November 2010 bei elf Prozent und damit deutlich über dem Landes- und Bundesdurchschnitt.

Auf 1,8 Milliarden Euro belaufen sich die Schulden und übersteigen deutlich das städtische Vermögen, inklusive des kompletten Besitzes der Kommune. Umgerechnet auf die 212.000 Einwohner der Stadt bedeutet das fast 8.000 Euro pro Kopf - die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland. Die rot-grün regierte Stadt ist quasi nicht mehr handlungsfähig, wirtschaftet nur noch mit einem Nothaushalt und steht unter der Aufsicht der Düsseldorfer Regierungspräsidentin.

Das Ergebnis: Überall wurde kräftig gekürzt - von der Abschaffung von Dienstwagen für Beigeordnete bis zu Einschnitten im öffentlichen Personennahverkehr. So gilt der Nachtfahrplan bereits um 21 Uhr, ein Nachtbus fährt dann nur noch im Stundentakt. Zu den Sparmaßnahmen gehört auch, dass die städtischen Ämter zwischen Weihnachten und Silvester geschlossen bleiben. Derzeit gibt es nur ein paar Notdienste und Rufbereitschaften. "Die Betriebsferien sollen Kosten bei Personal und Energie sparen", teilt die Stadt mit.

Zugleich wurden der Gewerbesteuerhebesatz und der Grundsteuerhebesatz ebenso erhöht wie die Hundesteuer. Für Bordellbetreiber dachte sich die Stadt eine Sexsteuer von sechs Euro pro Zimmer und Tag aus.

Dennoch wird Oberhausen auch im kommenden Jahr neue Schulden aufnehmen müssen. Das reicht kaum für das Nötigste, geschweige denn für Investitionen.

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13 Kommentare

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  • S
    stefan44

    Tja aber Milliarden werden nach Südeuropa überwiesen und an die internationale Finanzwirtschaft, aber für deutsche Städte ist kein Geld da. Die EZB kauft Schrott von südeuropäischen Banken auf (Target) und wir haften dann mit dem dreifachen unseres Bundeshaushaltes dafür.

     

    Ich könnte kotzen, wenn ich sehe wie Deutschland zum Zahlmeister Europas wird, aber für die eigenen Städte kein Geld mehr vorhanden ist.

  • W
    Was_tun_bei_einer_Insolvenz?

    Ein Autor in diesem Forum hat vorgeschlagen, dass die Stadt Ihre Zinszahlungen einstellen soll, damit die Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen. Es bleibt zu fragen, wie mit einer möglichen Insolvenz der Stadt praktisch umzugehen ist. Wenn die Stadt formell insolvent ist muss sie die Zahlungen an ALLE Gläubiger einstellen. Wendet man das Insolvenzrecht für Unternehmen analog auf eine Insolvenz der Stadt um, so macht sich der Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung strafbar, wenn einer die Gläubiger ungleich behandelt, in dem er beispielsweise Hartz IV-Gelder weiterhin auszahlt und gleichzeitig Zinszahlungen an Darlehensgläubiger zurückhält. Die Gläubiger der Stadt, die bei einer Insolvenz der Stadt einen finanziellen Schaden erleiden, sind nicht nur diejenigen, welche Zins- und Darlehensforderungen haben, sondern gleichermaßen auch diejenigen, welche Forderungen auf Sozialleistungen, z. B. Hartz IV, oder aus offenen Rechnungen, z. B. Handwerker, die Leistungen an die Stadt Oberhausen erbracht haben, sowie die im Ruhestand befindlichen Beamten, die Rentensansprüche gegen die Stadt haben. Wovon sollen die HartzIV-Empfänger ihre Lebensmittel zahlen, wenn die Stadt nicht mehr zahlungsfähig ist. Wo und von wem sollen im Fall einer Insolvenz der Stadt Oberhausen die Oberhausener Schüler unterrichtet werden, wenn die oben aufgeführten Gläubiger (Gläubiger von Sozialleistungen, Darlehensgläubiger, Rentenanspruchsberechtigte, etc.) ihre Ansprüche geltend machen und zur Bedienung Ihrer Ansprüche die Zwangsversteigerung des Eigentums der Stadt und damit der Schulen, des Rathauses, der Parks und letztlich sogar der Straßen fordern, schließlich haftet das gesamte Vermögen der Stadt für die Verpflichtungen der Stadt.

     

    Viele ungelöste Fragen !

  • R
    reblek

    "Die Betriebsferien sollen Kosten bei Personal und Energie sparen", teilt die Stadt mit. (Kosten kann man nicht "sparen", sondern lediglich senken.)

     

    Dennoch wird Oberhausen auch im kommenden Jahr neue Schulden aufnehmen müssen. (Ich würde es mit der Aufnahme von Krediten versuchen. Die "Aufnahme von Schulden", wenn jemand so töricht wäre, so etwas zu tun, würde das Problem verschärfen.)

  • MM
    Michael Musil

    Hauptsache niemand fragt nach den Ursachen für die permanente Neuverschuldung. Meine Vorschläge im Rat, die Zinszahlungen einzustellen und den Gläubigern doch mal anheim zu stellen, einen Konkursantrag gegen die Stadt zu erwirken wurden nur belächelt. Eine Kapitalertragsteuer von 101% (einhunderteins) würde auch sehr zielführend sein. Hat aber keiner Spaß dran. Schade!

  • L
    Lisa

    Ich frage mich auch, was mir der Artikel jetzt sagen soll. Natürlich läuft hier in Oberhausen -eigentlich im ganzen Ruhrgebiet- ne ganze Menge schief. Es ist sicherlich auch im höchsten Maße fraglich warum Oberhausen zwingend eine Skihalle braucht (es gibt immerhin schon eine in Bottrop und eine in Neuss) und gleichzeitig gerade im Bereich der Bildung und Jugendarbeit bis zur Unkenntlichkeit gekürzt wird. Neue Arbeitsplätze schafft das Ding ja vermutlich nur wieder im Servicebereich -sprich: es werden auf 400€-Basis Schüler und Studenten ausgebeutet und Steuereinnahmen gibts davon auch nicht.

    Aber so geht's wie gesagt vielen Kommunen.

  • G
    Günther

    So what?

    In meiner (Klein-) Stadt (auf dem Land) gibt es auch keinen Bücherbus, defacto auch keinen ÖPNV (der Bus kommt ca. 3x am Tag), es gibt kein (Musik-) Theater, etc.

    Aber ich zahle die gleichen Steuern wie ein Bürger in Oberhausen. Warum soll der Bürger in Oberhausen mehr Luxus geboten bekommen als ich?

    Wenn eine Einheit (Stadt/Land/Bund/etc.) schlecht wirtschaftet, muss so ein Luxus halt weg. Wenn man wieder Überschüsse erwirtschaftet, kann man ja wieder solche Einrichtungen aktivieren. Oder vielleicht auch mal warten, bis man genug Überschüsse hat, um die Finanzierung für einen längeren Zeitraum gesichert hat. Aber das Luxusleben und anschließende Rumgeheule mit der Konsequenz, dass wir Landeier die Infrastruktur der Stadt zahlen müssen, die wir nie nutzen können, geht mir gehörig auf den Senkel!

  • MS
    Monsieur Schreiber

    ...hmm...ich lebe in Oberhausen und fühle mich nicht schlecht dabei. Es lebt sich hier auch nicht anders als in Dinslaken, Bottrop, Duisburg oder anderen angrenzenden Städten. Soll man sich schämen, das man virtuell gesehen 8.000 Euro Stadtschulden mit sich herumschleppt? Ist Oberhausen "the new home of Prekariat"? Wie wäre es mit einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in Form der Aufarbeitung von alten Ölfässern, damit diese an diversen Stellen in der Stadt aufgestellt werden können. Wenn die Ölfässer mit Holz brennen und sich wärmende Menschen darum gruppieren, kann es auch äußerlich wahrgenommen werden, das Oberhausen den Bach herunter geht.

     

    Soweit man es in der Stadt mitbekommen kann, bemüht sich die Stadt in allen Bereichen so viel wie möglich zu machen um ihren Aufgaben nachzukommen. Ich fühle mich in keinster Weise benachteiligt, das die Ämter zwischen Weihnachten und Neujahr nicht geöffnet sind. Who cares? Denkt jemand vielleicht auch mal an die soziale Komponente, das man auch einmal etwas für die Mitarbeiter tun kann (in Zeiten, wo alles getan wird um die Rechte der Arbeiter in allen Bereichen zu beschneiden). Dann erledige ich meine Behördengänge dann im neuem Jahr, wo ist das Problem.

     

    Dienstwageneinschränkung, damit nicht jeder Beigeordnete auf dicke Hose machen kann? Ist doch normal, oder? An diesem Beispiel sollten sich ruhig auch andere Städte orientieren.

     

    Und was die Sexsteuer im Bordell betrifft: pro Zimmer und Tag 6 Euro Steuer? Dann rechnet mal aus, was in jedem Zimmer pro Tag verdient wird. Pro Freier kommen dann ein paar wenige Cents raus. Wer das schnelle Geld verdienen will, wird immer mit Leuten zu tun haben, die im Hintergrund die Hand auf halten. Warum immer nur die Zuhälter, warum nicht auch mal die Stadt?!

     

    Von der TAZ erwarte ich eher gut recherchierte Artikel zum Hintergrund des Fakts, das es viele Städte gibt, die hilflos überschuldet sind. Gefangen im politischen Spinnennetz, das der Stadt kaum Möglichkeiten einräumt, sich aus der finanziellen Zwangslage zu befreien. Und nicht solche eien plakativen Kurzartikel, der auch von einem BILD Praktikant geschrieben worden sein könnte.

  • W
    Wolfgang

    Deutschland heißt bald Oberhausen.

    Es hat bislang aber noch keiner bemerkt.

     

    Das Geld wird in Deutschland abgeschafft:

    es gibt schon etliche, die haben schon keines mehr.

  • S
    Steffi

    Im Ruhrgebiet mags ja vor allem mit dem Auslaufen der Kohleförderung zu tun haben, aber so ziemlich alle Kommunen sind doch kurz vorm Ersticken.

     

    Ist das nicht ganz schön billig, sich ein Beispiel mit so einem speziellen Grund rauszusuchen

     

    taz, ich erwarte eine Serie samt hypergründlicher Analye darüber,warum es überall so aussieht.

  • RK
    Romi Klippert

    Es ist ein Drama, dass die Kommunen nur teilweise Einfluss auf Ihre Ausgaben haben, und beinahe keinen auf Ihre Einnahmen. Dort wo es an Unternehmen und Arbeitsplätzen mangelt, wird der Haushalt durch die Wohnkosten für Sozialhilfeempfänger stark angegriffen. Gleichzeitig mangelt es an Gewerbesteuer.

    Es ist ein Drama für die Menschen, die zufällig dort wohnen - und deren Kinder.

  • G
    guapito

    Diese Situation ist nicht unbedingt schlecht für alle, ich behaupte sogar, dass sie gewollt ist - die verfluchten Banken verdienen nämlich fürstlich in solchen Lagen.

  • CW
    Christian W.

    Ja, und jetzt? Was will uns der Artikel damit sagen?

    Dass viele Städte überschuldet sind, ist doch wirklich nichts neues.

  • B
    Bernd

    Bitte auch das positive sehen, mit dem Untergang der Zechen und Stahlindustrie gingen zwar viele Arbeitsplätze verloren, aber dadurch die Luftqualität auf jeden Fall gestiegen. Das sollte uns doch die Umwelt doch wert sein oder nicht?