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„Bei einem Angriff haben wir zu kämpfen“

■ US-Soldatinnen am Golf müssen auch an Gefechten teilnehmen/ Alleinerziehende ließen ihre Kinder bei Verwandten in den USA zurück/ US-Kongreßabgeordnete fordert Gesetz, das „single parent soldiers“ vom Kriegsdienst ausnehmen soll

Berlin (taz/afp/wps) — Immer noch wacht Anita Byrd mitten in der Nacht auf und sucht nach ihrem sechs Monate alten Sohn, bevor ihr klar wird, daß er gar nicht da sein kann. Denn Leutnant Byrd befindet sich in Riad, auf einem Militärstützpunkt, während der kleine Quentin bei seiner Großmutter in Indiana ist.

Anita Byrd ist eine der rund 30.000 US-Soldatinnen, die derzeit als Pilotinnen, Navigatorinnen und Besatzungsmitglieder von Radar-, Tank- oder Versorgungsflugzeugen Kriegsdienst am Golf leisten. Frauen greifen auch immer wieder in die Gefechte ein, obwohl ihnen per Gesetz der aktive Kampfeinsatz verboten ist. So sind Versorgungsschiffe mit Geschützen ausgestattet — zur Abwehr feindlicher Angriffe. Diese Geschütze werden von Frauen bedient.

„Hauptmann“ Joanne Martin ist Koordinatorin an Bord eines AWACS-Flugzeuges und entscheidet in dieser Funktion auch über Angriffe auf feindliche Kampfmaschinen. Schon vor ihrem Einsatz im Golfkrieg habe sie gewußt, auf was sie sich einläßt, sagt Joanne Martin. Amy Deever arbeitet in einer logistischen Einheit der Marineinfanterie. Zusammen mit 129 Soldatinnen verlegt sie Feldtelefone, irgendwo im nördlichen Saudi-Arabien, rund 50 km von der kuwaitischen Grenze entfernt. Die Frauen tragen Stahlhelme und kugelsichere Westen. „Man hat uns gesagt, solange wir hier sind und falls wir angegriffen werden, haben wir zu kämpfen“, beschreibt Amy Deever die Lage. „Die Grenze zwischen kämpfenden und nichtkämpfenden Einheiten wird immer verschwommener“, sagt eine andere Soldatin.

Die Einstellung der weiblichen GIs zum Krieg und dem persönlichen Risiko geht weit auseinander. Manche halten ihn für ein Abenteuer, wollen ihre Fähigkeiten voll zum Einsatz bringen. Die 27jährige Lauren Long, die bei der Luftwaffe als Stabsfeldwebel die Fahrzeuge eines Luftstützpunktes wartet, wäre am liebsten Pilotin eines Bombers geworden. „Wenn man uns Frauen erlauben würde, Kampfflugzeuge zu fliegen, wären wir sicher die besten Flieger“, ist sie überzeugt. Denn Frauen würden neue Maßstäbe setzen und „allen den Marsch blasen“.

Doch die meisten teilen Laurens Ehrgeiz nicht. Viele Frauen haben sich in die US-Streitkräfte verdingt, weil sie keine beruflichen Alternativen hatten, und viele der am Golf stationierten Soldatinnen wären lieber heute als morgen wieder zuhause.

Leutnant Anita Byrd ist alleinerziehende Mutter. Als der Stellungsbefehl kam, mußte sie ihren kleinen Sohn bei ihrer Mutter zurücklassen. Anita Byrd, die sich auf 20 Jahre bei der Armee verpflichtete, überlegt sich längst, ob sie ihren Dienst nicht quittiert. „Ich kann noch immer nicht richtig glauben, daß ich mitten im Krieg stecke.“ Und sie kann den Gedanken kaum ertragen, daß sie darin möglicherweise noch lange stecken wird, vielleicht nicht überleben wird. Sergeant Gwen Givens hat ihre drei Kinder (12 bis 18 Jahre) bei ihren Eltern in Tennessee untergebracht. Die alleinerziehende Mutter ist seit 16 Jahren in der Army und war gerade von Japan zurückbeordert worden, als der Befehl nach Saudi-Arabien kam.

Die US-Abgeordnete Barbara Boxer hat im Kongreß nun einen Antrag gestellt, wonach alleinerziehende SoldatInnen nicht in den Krieg geschickt werden dürfen. Auch soll, wenn beide Ehepartner Angehörige der Streitkräfte sind, jeweils nur eineR an der Front eingesetzt werden. Ob dieser Antrag je Gesetz wird, ist fraglich. Mit einer längeren Prozedur ist auf jeden Fall zu rechnen. Barbara Boxer hat deswegen auch an Verteidigungsminister Cheney geschrieben und ihn gebeten, eine solche Anordnung sofort zu erlassen, solange ein entsprechendes Gesetz noch auf dem Weg ist. Bisher hat die Kongreßabgeordnete noch keine Antwort aus dem Pentagon erhalten. uhe

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