piwik no script img

Bei Regen in den PubWhisky, Wasser, Wind und Wetter

Die kilometerlangen Sandstrände der Hebriden und das türkisfarbene Wasser erinnern trotz kühlem Regen an Werbefotos für tropische Inseln. Eine Radtour durch Schottland, von Edinburgh durch den Trossachs National Park auf die Äußeren Hebriden

Trübes Wetter, triste Farben? Nicht in Schottland Bild: Michel Meynsbrughen/sxc

SCHOTTLAND

Zug: Regelmäßige Zugverbindungen von London nach Glasgow und Edinburgh. Von dort aus weiter nach Oban, Fort William, Inverness und Stirling, www.nationalrail.co.uk

Fähre: Von Zeebrugge nach Rosyth, Nähe Edinburgh, mit Super Fast Ferries, www.superfast.com. Auf die Inneren und Äußeren Hebriden fahren die Caledonian MacBrayne Ferries: www.calmac.co.uk. Die Fahrradmitnahme ist problem- und kostenlos.

Informationen über Radwege und Radkartenbestellung: Sustainable Transport Charity, www.sustrans.org

Wenn Sie gern wandern, klettern oder bergsteigen: Ramblers Scotland ist ein repräsentativer Wanderverband in Schottland, dessen Ziel es ist, die Menschen zum Wandern zu ermuntern und die Öffentlichkeit für Outdoorsport zu sensibilisieren. www.ramblers.org.uk/scotland/

The John Muir Trust: Diese Organisation wurde nach dem berühmten Naturforscher benannt und ist für den Erhalt vieler Naturschutzgebiete verantwortlich. www.jmt.org/home.asp

Der West Highland Way verbindet Milngavie, außerhalb Glasgows, mit Fort William in den Highlands. www.west-highland-way.co.uk

Drei Dinge versuchen Freizeitfahrradwanderer gewöhnlich zu vermeiden: Steigungen. Wind. Regen. Es gibt eine Ecke Europas, wo man all das so gut wie sicher und zu jeder Jahreszeit finden wird: Schottland. Und trotzdem haben wir uns in den Kopf gesetzt, unsere Radreise genau dort zu machen. Beim Packen ein Blick in die Klimatabelle: 250 bis 270 Regentage im Jahr, und im Sommer erreichen die Temperaturen gerade mal 20 Grad. Ob wir nicht doch lieber Handschuhe mitnehmen sollen, wie eine Freundin vorschlägt?

Unsere Reise beginnt in Edinburgh, der Stadt, über die Robert L. Stevenson schrieb: „Edinburgh is what Paris ought to be.“ Eine prächtige Stadt mit einem monumentalen Schloss, die einmal im Jahr – im August – mit einer Reihe von Festivals hunderttausende Besucher aus aller Welt anlockt. Der freundliche Wirt unserer ersten Bed&Breakfast-Unterkunft begutachtet unsere voll bepackten Räder und wünscht uns mitleidig, dass der Wind nachlässt, denn selbst hier in der Stadt pfeift der ganz ordentlich. Ob es eine schottische Tradition gibt, wie man dem Regen am besten ausweicht, fragen wir ihn. „Oh ja“, sagt er amüsiert, „wenn es regnet, dann steuert man den nächsten Pub an und bestellt einen Whisky. Und wenn es dann nicht aufhört – bestellt man noch eine Runde!“

Direkt in der Stadt beginnt der Union Channal, der einst eine wichtige Wasserstraße war. Mit der Ausbreitung des Schienennetzes hat er aber an Bedeutung verloren. Er wurde schließlich stillgelegt und erst im Zuge der britischen Millennium-Projekte wieder aufwendig instand gesetzt. Herzstück dieser Sanierung ist das Falkirk Wheel, ein futuristisch anmutender rotierender Aufzug, der die früheren Schleusenverbindungen ersetzt und die Schiffe nun scheinbar schwerelos die 35 Meter Höhenunterschied überwinden lässt. Wir haben uns dieses technische Wunderwerk als Ziel ausgesucht und genießen die erste steigungs- und autofreie Etappe auf dem Treidelpfad: vorbei an bunten Hausbooten, über alte Aquädukte – schließlich sogar durch einen langen Tunnel.

Über zahlreiche Feldwege und Nebenstraßen geht es nach Callander, einem kleinen Ort im Loch Lomond and the Trossachs National Park. Nach 50 Kilometern sind wir am Ziel angekommen und mitten in den Highland Games. Wir kommen gerade rechtzeitig zur Endrunde des Internationalen Baumstammweitwurfwettbewerbs und beobachten das kuriose Schauspiel. Nur anhand der Reaktionen des Publikums können wir erahnen, ob der Wurf ein Erfolg war oder nicht, und ziehen weiter, als die Hundestaffel der Polizei vorgeführt wird und eine vielköpfige Gruppe Dudelsackpfeifer den Rasen betritt. Von Callander aus folgen wir dem Radweg Nr. 7, einer der zahlreichen Routen des britischen National Cycle Networks, und erreichen den Loch Katrine, den man mit einem altertümlichen Dampfer überqueren kann. Wir entscheiden uns aber dafür, am Seeufer entlangzuradeln. Es gibt zwar einige Steigungen, doch die spektakulären Ausblicke lohnen die Mühe, und am Westende des Loch Katrine kann man sich mit Cream Tea – Tee, frischen Scones mit Sahne und Erdbeermarmelade – verwöhnen lassen.

Von Oban aus, einem quirligen Fährort mit einer Whiskydestillerie an der Westküste, nehmen wir die Fähre auf die Äußeren Hebriden, eine Inselkette im Atlantik. Die Fahrt auf die südlichste Insel des Archipels dauert fast fünf Stunden. Manchmal hat man Glück und kann Delphine oder Wale sehen, wir aber können leider nur Möwen beobachten, die uns während der ganzen Überfahrt begleiten.

Wenn die Autofähre „Clansman“ den Anleger der kleinen Insel Barra erreicht und Einheimische, Lieferanten und Touristen das Schiff verlassen haben, verdoppelt sich die Zahl der Menschen in Castlebay auf einen Schlag. Direkt am Hafen findet man sich im Kisimul Cafe ein. Es ist außerhalb der Hotels das einzige Restaurant vor Ort und entsprechend frequentiert. „Alles reserviert bis Montag nächster Woche“, heißt es zuerst, aber dann finden sich doch noch zwei freie Plätze, und wir bekommen auf den Hebriden gebrautes Bier und einen indischen Curry mit dem frischen „Fang des Tages“.

Nur für Ferngespräche Bild: Major John/pixelio.de

Der Name „Kisimul“ ist gälisch und verweist auf das kleine Schloss in der Hafenbucht, das als Sitz des MacNeil-Clans im 11. Jahrhundert errichtet wurde und im Jahr 1937 vom 45. Clanoberhaupt Robert MacNeil wieder instand gesetzt wurde. Sein Sohn übergab es schließlich für eine Jahresmiete von einem Pfund und einer Flasche Whisky an die Denkmalbehörde Historic Scotland, sodass das Gemäuer nun für Besichtigungen geöffnet ist. Die kilometerlangen Sandstrände der Hebriden und das türkisfarbene Wasser erinnern an Werbefotos für tropische Inseln. Die Wassertemperaturen sind allerdings nur mit Neoprenanzug erträglich, die die zahlreichen Wellenreiter natürlich tragen. Ohne ins Wasser zu müssen, entdecken wir eine ganze Gruppe von Seehunden, die sich auf den Steinen ausruhen. Nach einer weiteren Fährfahrt lassen sich die Inseln Eriskay, South Uist, Benbicula und North Uist über eine meist einspurige Straße erschließen. Die wenigen Auto- und Fahrradfahrer grüßen sich freundlich und lassen einander geduldig in einem der Ausweichplätze passieren. Stundenlang sieht man kaum ein Haus, keinen Menschen, nur Schafe und immer wieder Fundamente von Steinhäusern, Überreste von einzelnen Gehöften und ganzen Siedlungen.

Die Ruinen erinnern daran, dass die Inseln ebenso wie die Highlands nicht immer so menschenleer waren. Ein Besuch in einem der kleinen Museen gibt Einblick in die Geschichte der Highland Clearances. Die militärische Niederlage der schottischen Jacobites gegen die Engländer führte zum Verbot der Privatarmeen. Aus den Feudalherren wurden Großgrundbesitzer, und da diese keine Soldaten und damit auch keine Untertanen mehr brauchten, vertrieben sie die Menschen und brachten die lukrativeren Schafe ins Land. Die Clearances entvölkerten so die Highlands und führten zum Niedergang der gälischen Sprache und Kultur. Erst in letzter Zeit gibt es wieder Schulunterricht, Zeitungen, Radio- und Fernsehprogramme auf Gälisch, und die zweisprachigen Ortsschilder haben keineswegs mehr nur symbolisch-nostalgische Bedeutung.

Von Lochmaddy aus setzen wir auf die Inneren Hebriden über. Die Isle of Skye ist die größte Insel vor der schottischen Westküste. Die Überlandstraße ist hier zwar zweispurig ausgebaut, aber die zahlreichen Wohnmobile und Lkws erschweren das Radfahren, sodass wir auf alternative Routen ausweichen müssen, um zur Fähre zurück aufs Festland, nach Mallaig, zu gelangen. Hier enden auch die Fernstraße und die Bahnstrecke von Fort William, und so ist es kein Wunder, dass alle Quartiere belegt sind. Im Pub erkundigen wir uns nach einer Wiese zum Zelten und landen auf einem kleinen Plateau, das uns eine fantastische Aussicht über das Städtchen und die Meerenge bis hinüber zur Isle of Skye bietet. Es ist unser letzter Abend, und beim letzten Whisky schauen wir auf den wolkenlosen Himmel und überlegen, die nächste Fahrradreise am Loch Ness entlang nach Inverness zu machen. Es gibt noch viel zu entdecken in Schottland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!