: Behörden verschleiern Stasi-Besitz
■ Bürgerkomitees laufen mit Nachforschungen ins Leere / Mitglieder des Runden Tisches wollen an die Öffentlichkeit / Stasi-Organisationen bunkern Immobilien / Angst vor Wohnungsspekulanten nimmt zu
Ost-Berlin. Benno Hasse, Mitglied der Arbeitsgruppe Sicherheit des Berliner Runden Tisches, raufte sich die Haare: „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr weiterkommen. Was wir jetzt brauchen, ist Öffentlichkeit: Wir müssen zurück auf die Straße.“ Zum ersten Mal hatte das Bündnis'90 am vergangenen Mittwoch zu einem Bürgerforum ins Rote Rathaus eingeladen. 150 OstberlinerInnen waren zu diesem Treffen erschienen, um über die künftigen Eigentumsverhältnisse in der DDR zu diskutieren.
Seit Wochen bemüht sich die AGSicherheit darum, Häuser, Wohnungen und Grundstücke aus dem Besitz des Ministeriums für Staatssicherheit zu registrieren und in kommunalen Besitz zu überführen. Doch was mit Schwung begonnen wurde, droht jetzt im Sand der neuen Bürokratie zu verlaufen. „Die neue Regierung“, so Hasse auf dem Forum, „schlüpft jetzt schon in die Privilegien der alten SED.“ Bei den Behörden boykottierten die neuen (alten) Staatsverwalter die Nachforschungen der Bürgerforen, gezielte Hinweise würden vernachlässigt, Unterlagen verschwänden.
Jüngstes Beispiel für die mangelnde Bereitschaft zur lückenlosen Aufklärung über den tatsächlichen Besitz der Staatssicherheit ist eine Objektliste aus der Versorgungseinrichtung des Ministerrates (VEM), die für den Berliner Bereich lediglich 133 Dienstwohnungen oder Häuser namhaft macht. Dabei schätzt das Bündnis'90 den tatsächlichen Besitz der Stasi-Organisationen auf mindestens 9.000 bis 22.000 Objekte. 5.000 hatten die verschiedenen Bürgerkomitees bereits zusammengestellt. Sie sollten den Räten der einzelnen Stadtbezirke bekanntgemacht werden. Doch diese Listen sind mittlerweile verschwunden. Hasse äußert deshalb die Vermutung: „Die alte Stasi hat sich neue Strukturen geschaffen. Das Volkseigentum wird hinter unserem Rücken verschachert.“
Tatsächlich droht nicht nur der Ausverkauf des Besitzes ehemaliger Stasi-Organisationen, völlig ungeklärt ist auch die Zukunft des privaten Eigentums der DDRlerInnen. Was geschieht beispielsweise mit altem Westbesitz? Mittlerweile häufen sich die Fälle, in denen ehemalige EigentümerInnen mit einem Vermesser auf privatem Grund und Boden auftauchen und ausführliche Sanierungspläne schmiedeten. Ob die Kaufverträge, die nach der Gründung der DDR auf legale Weise zustande gekommen sind, ihre Gültigkeit behalten, ist fraglich. Geht Nutzungsrecht vor Eigentumsrecht? Werden Enteignungen wegen Republikflucht rückgängig gemacht? Und auch die MieterInnen der Kommunalen Wohnungsverwaltungen (KWV) machen sich immer mehr Sorgen.
Derzeit vermietet die KWV nicht eine ihrer etwa 10.000 leerstehenden Wohnungen, obwohl es in der Hauptstadt der DDR schätzungsweise 85.000 Wohnungssuchende gibt. Offensichtlich wartet man auf solvente Westinvestoren, die die Wohnungen kaufen und auf ihre Kosten sanieren. „Wenn das passiert, können wir hier einpacken“, formulierte ein Ostberliner auf dem Forum seine Angst vor der Spekulation mit Wohnobjekten.
mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen