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Behinderten-Tango - betr.: "Bandoneons schmatzen nicht", taz vom 26./27.7.1997

Es begann mit einer Idee: Wir drei, eine davon an den Rollstuhl gefesselt, wollten „Tango-Pasión“sehen. Also nichts wie hin zur Theaterkasse (...). Eine freundliche, zugewandte Angestellte: „Oh, für Schwerbehinderte kann ich von hier aus nicht verkaufen, aber versuchen Sie's doch mal am Buddy-Info-Stand, das ist derselbe Veranstalter!“

Nun denn: Telefonbuch raus, angerufen: „Plätze für Schwerbehinderte können wir hier auch nicht vergeben, aber versuchen Sie's doch mal unter einer speziellen Nummer bei der Tourismus-Zentrale.“Der dortige Anrufbeantworter gibt „Ihr Anruf ist uns sehr wichtig“usw. usf., dann „money, money, money, it's a rich man's world“. Dann aber: Frau X von der „Neuen Metropol“, dem Veranstalter, wird Ansprechpartner Nr. 3, weil wir einen Schwerbehindertenplatz benötigen. „Den kann ich Ihnen leider auch nicht geben, aber wenden Sie sich doch an Herrn Y ...“Also Nr. 4 angerufen, Anrufbeantworter mit Liebeslied „together we make it“o.ä. Eine freundliche Frauenstimme: „Herr Y hat heute frei, aber das gibt's doch nicht, das müssen die doch am Buddy-Ticket-Service gebacken kriegen. Ich geb' Ihnen mal 'ne Nummer...“

Ein Herr Z vom Buddy-Ticket-Service: „Drei Plätze, davon ein Behindertenplatz – kein Problem, nur direkt nebeneinander sitzen können Sie nicht. Je DM 33 für Sie, aber für Behinderte kostet der preisgünstigste DM 66 – und das für jemanden, der gewissermaßen seinen eigenen Stuhl mitbringt und nur zusätzlich die Kasse füllt.

Ich habe „nein danke“gesagt, weil ich mir nicht mehr vorstellen konnte, daß das künstlerische Konzept sich so sehr vom Konzept gegenüber behinderten Besuchern abheben könnte – mit einem Wort, daß es hier um was anderes als Abzocken gehen könnte.

Joachim Menzel

Betr.: „Die Nana von St.Pauli“, taz hamburg vom 8.8.97

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