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Beginn der heißen WahlkampfphaseAb jetzt wird fest versprochen

CDU-Kandidatin Angela Merkel will Vollbeschäftigung. SPD-Kandidat Martin Schulz will mehr Polizisten, denn in Deutschland werde Gewalt zu oft verharmlost.

Der Wahlkampf auf der Straße Foto: dpa

Berlin taz | Wo er recht hat, hat er recht, der SPD-Kanzlerkandidat. „Die Bundestagswahl ist noch nicht entschieden“, hat Martin Schulz am Sonntag am Rande eines ZDF-Sommerinterviews erklärt. Es sei weiterhin „alles möglich“. Der Wahlkampf lohne sich „bis zur letzten Minute“.

Das sind Stanzen, wie sie die Öffentlichkeit während jedes Wahlkampfs zu hören bekommt: so wahr wie belanglos. Da macht auch Schulz-Herausforderin Angela Merkel keine Ausnahme. Beim Wahlkampfauftakt der CDU am Samstag in Dortmund hatte die Spitzenkandidatin der Union vergleichbar Allgemeingültiges von sich gegeben. „Viel Zeit ist nicht mehr. Wir müssen werben, wir müssen kämpfen.“ Ach was.

Tatsächlich ist mit Merkels Rede vor dem Arbeitnehmerflügel der Union die heiße Wahlkampfphase eröffnet. Aber was heißt schon heiß, wenn die Amtsinhaberin mit sensationellen 40 Prozent 15 Prozentpunkte vor dem Herausforderer liegt? Noch ärger sieht es in der Kanzlerfrage aus. 60 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Angela Merkel weitermacht, nur 30 Prozent wollen Schulz im Kanzleramt sehen. So gesehen ist Schulz’ „Alles ist möglich“- Sentenz fast schon mutig.

In Dortmund hatte Merkel am Samstag gesagt, bis zum Jahr 2025 solle die Arbeitslosenquote in der Bundesrepu­blik unter 3 Prozent sinken. Sie glaube, „dass das zu schaffen ist“. Vor allem müsse man sich „die über eine Million Menschen anschauen, die dauerhaft langzeitarbeitslos sind“.

Im Rückblick auf die Große Koalition sagte sie, auch wenn die CDU „etwas andere Vorstellungen über den Mindestlohn“ gehabt habe, habe dieser „vielen Menschen mehr Sicherheit gebracht“, vor allem in Ostdeutschland.

Schonzeit vorbei?

Beim Thema Elektroautos erteilte sie ihrem Gegenkandidaten eine Abfuhr, gleichwohl ohne ihn beim Namen zu nennen. Die von der SPD vorgeschlagene Quote für E-Autos sei „nicht so richtig durchdacht“, sagte Merkel. Der Staat solle eher mit Anreizen für einen Wechsel zu neuen Antriebssystemen helfen, etwa zu Wasserstoff- und Hybridautos. Von einem Dieselverbot hält Merkel nichts.

Vollbeschäftigung bis 2025? Angela Merkel glaubt, dass das zu schaffen ist

Prompt funkte SPD-Fraktions­chef Thomas Oppermann gen Kanzleramt. Im Tagesspiegel kündigte er eine härtere Gangart seiner Partei an: „Die Schonzeit für Frau Merkel ist vorbei.“ Bis zum Wahltag werde die SPD Merkel „Tag für Tag mit den Herausforderungen und Problemen unseres Landes konfrontieren, aber auch mit den Chancen, die sie verspielt hat“.

Am Sonntag war dann Martin Schulz selbst der medialen Aufmerksamkeit sicher. In Interviews mit RTL und dem ZDF stellte er für den Fall seiner Kanzlerschaft in Aussicht, mehr Stellen für Polizisten, Staatsanwälte und Richter zu schaffen. Mit Blick auf straffällig gewordene Ausländer sagte er: „Ich bin der Meinung, die müssen endlich mal was auf die Mappe kriegen, damit die spüren, wer in Deutschland das Sagen hat.“ In der deutschen Gesellschaft werde Gewalt zu oft verharmlost.

Am Dienstag geht es weiter mit Schulz’ Inhalten. In Berlin hält er eine Rede zu integrationspolitischen Fragen.

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8 Kommentare

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  • Dazu passt:

     

    "Politik: Ein Interessenkampf, der sich als Wettstreit von Prinzipien ausgibt." Ambrose Bierce (1842-1914) US-amerikanischer Schriftsteller."

    Sehr zu empfehlen ist "Des Teufels Wörterbuch" dieses glänzenden Stilisten und Aphoristikers - auch heute noch eine Fundgrube.

  • Nicht nur straffällige Ausländer sondern auch asoziale Steuerhinterzieher, gegen den Sinn von Gesetzen handelnde betrügerische Autokonzernlenker, Steuergelder sinnlos in den Boden verbuddelnde DB Vorstände und Politiker (S21) und Geld vernichtende Investmentbanker müssten "endlich mal was auf die Mappe kriegen".

  • "...endlich mal was auf die Mappe kriegen..."

    Selbst die AFD wagt eine derartige Ausdrucksweise nicht. Immerhin ein Versuch die zur AFD und zur Linken abgesprungenen Wähler wieder "heimzuholen".

     

    Besser wären konkrete Ideen wie man die Problematik behandeln kann ohne nun Flüchtlinge schlechter zu behandeln. Solange da nichts kommt können sich alle anderen (Merkel, AFD, Linke) nur bestätigt fühlen - und die Wähler werden das genau so sehen.

     

    Mit -nur- solchen Sprüchen ist die SPD mit einem Ergebnis >20% bestens bedient.

  • Der Auftritt von Merkel in Dortmund vor Gleichgesinnten

    ist und bleibt für den kleinen Mann mit u.a. dem Thema

    Autoindustrie/Dieselskandal sowie ihrer Floskel, das diese

    Industrie vertrauen verspielt hat, was wiederzugewinnnen ist,

    ein Witz schlechthin.

    Die Kanzlerin bestimmt die Richtlinien der Politik und u.a. gehört

    zu ihrem Aufgabenbereich die Ministerkontrolle.

    Dobrindt hat leider "Narrenfreiheit", der die Aufsicht über das

    Kfz-Bundesamt hat. Was hat er in der Angelegenheit getan?

    Nichts, vielmehr wurde durch Merkel, Dobrindt und durch das

    Kfz-Bundesamt "nett" mit der Autoindustrie gemauschelt und

    im Ergebnis hat diese schmutzige Industrie der Politik und natürlich

    dem Verbraucher gezeigt, wie betrogen und wie Gewinnmaximierung

    auf Kosten der Gesundheit, des Lebens läuft.

    Und nunmehr lockt die Automobilindustrie mit Lockvogelangeboten,

    mit Rabatten um noch mehr Gewinnmaximierung zu machen.

    Dies ist mehr als nur Verbraucherverdummung.

    Pfui und abermals pfui.

  • Mit seiner Forderung nach "mehr Polizisten" dürfte Martin Schulz wohl ein offenes Ohr bei den Wirtschafts- und Monopolverbänden vorfinden. Dagegen dürfte Angela Merkel mit "Vollbeschäftigung" kein Gehör finden. Würde doch die Vollbeschäftigung das derzeit billige w/m Personalangebot vermindern und in Folge die Arbeitslöhne nach oben treiben. Allerdings könnte man dann, mit Hilfe von Martin Schulz, diesen vortrefflich ausgestatteten polizeilichen Gewaltapparat auch gegen streikende und kämpfende Arbeiter*innen und Angestellte einsetzen. Das dürfte auch Angela Merkel schon vor den Wahlen bekannt sein. So kann sie sich doch auch hier, vor den Bundestagswahlen, zurückhalten und die vorauseilende Polizeiarbeit den Spezialdemokraten überlassen.

     

    Merke: Die Konservativen lernten stets noch aus ihrer besonderen Rolle fürs Kapital in der deutschen Geschichte. Aber die politisch rechten Sozialdemokraten lernen wohl nichts mehr aus ihren vorauseilenden kapital-sozial-partnerschaftlichen Diensten. Sie sind einfach unfähig ihren Ebert und Noske nachhaltig abzulegen.

  • Immer feste druff!

    ...

  • Großer Wettbewerb der Versprechungen und der vollmundigen Erklärungen - ein teures Ritual. Das dafür verschwendete Geld sollte besser für soziale Zwecke gespendet werden. Z.B. für die Bekämpfung der wachsenden Kinderarmut.

  • “Wahlkampf” als Simulation einer Alternative. Der Kandidat der SPD ist nicht ernstzunehmen, seine Aufstellung eine Zumutung für die Wähler.