Begabtenförderung: Gratis-Studium ab IQ von 130
Der Kampf um die besten Köpfe wird absurd: Die Universitäten von Freiburg und Konstanz erlassen Hochbegabten für drei Semester die Studiengebühren.
BERLIN taz Die Einführung von Studiengebühren treibt seltsame Blüten. Kaum werden sie eingefordert, gibt es Streit um die Frage, wer von den Studiengebühren befreit werden soll. Meist sind es soziale Gründe wie Kinderbetreuung oder eine Behinderung, die zu einer Befreiung führen. Vom Süden des Landes kommt nun jedoch der Trend, auch Hochbegabten ein Studium ohne Gebühren zu ermöglichen. Dies ist möglich, weil die Hochschulgesetzgebung Ländersache ist. Jedes Bundesland regelt also individuell, ob es Studiengebühren nimmt, wie viele Studierende davon befreit werden - und welche Gründe zu einem solchen Erlass führen können.
In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen dürfen die Universitäten selbstentscheiden, ob sie Hochbegabten die Studiengebühren erlassen wollen. Unklar bleibt dabei jedoch, was Hochbegabung eigentlich ist und wie sie festgestellt wird. Dafür entwickeln die Hochschulen gerade eigene Kriterien. Viele Universitäten greifen dabei auf die Förderwerke zurück. Befreit wird dann, wer ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes, einer konfessionellen oder politischen Stiftung hat. "Wir freuen uns natürlich für unsere Studierenden, wenn sie einen Erlass bekommen", sagt Cordula Avenarius, Sprecherin der Studienstiftung.
Michael Hartmann, Eliteforscher an der Technischen Universität Darmstadt, lehnt diese Form der Studiengebührenbefreiung dagegen ab. "Mit den Stipendiaten der Förderwerke werden mehrheitlich diejenigen von den Gebühren befreit, die das am wenigsten nötig haben", sagt er. Die Zahlen der Förderwerke von 2005 beweisen das. Von den 13.415 Stipendiaten der elf Begabtenförderwerke erhielten über 42 Prozent nur Büchergeld. Sie sind Studierende mit "hoher Einkommenssituation". Besonders stark vertreten sind gutsituierte Studierende bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes, der größten Fördereinrichtung in Deutschland. Die Studienstiftung vergibt ihre Stipendien allein nach Leistungskriterien. Mehr als 51 Prozent ihrer Stipendiaten bekamen 2005 nur Büchergeld, haben also finanzkräftige Eltern. Nur knapp 16 Prozent kamen dagegen in den Genuss eines Vollstipendiums.
Studienstiftungssprecherin Avenarius sieht einen Grund für den neuen Trend, Studierende mit überdurchschnittlichen Begabungen von den Gebühren zu befreien, im zunehmenden Wettbewerb der Hochschulen um Exzellenz und Elite. "Die Universitäten überlegen sich jetzt, wie sie sehr gute Studierende gewinnen", meint sie. Freiburg und Konstanz gehen im Kampf um leistungsstarke Studierende denn auch noch weiter. Nicht nur den Stipendiaten der Förderwerke - das sind insgesamt 481 Studierende, etwa drei Prozent von Freiburgs Studierenden - erlassen sie die Studiengebühren. Auch wer einen IQ von über 130 nachweisen kann, wird für drei Semester von den Gebühren befreit. Als Nachweis gelten dabei die Hochbegabten-Zertifikate von Mensa, einem Verein für Hochbegabte. In Freiburg waren das im Sommersemester allerdings nur 21 Studierende. "Wir wollten das einfach mal ausprobieren", sagt Rudolf-Werner Dreier, Pressesprecher der Uni Freiburg. Er glaubt nicht, dass diese Regelung die soziale Auslese verstärkt: "Wir wollen die besten Köpfe gewinnen, ohne dass soziale Hürden aufgebaut werden." Eliteforscher Hartmann setzt dagegen, dass auch IQ-Tests nicht neutral sind: "Studierende aus den sogenannten bildungsnahen Schichten haben einfach die besseren Voraussetzungen, um sich Wissen anzueignen. Außerdem kennen sie das Procedere von Auswahlverfahren und haben weniger Angst davor."
Süddeutsche Unis sind derweil findig, wenn es um Wege geht, Studierende mit überdurchschnittlicher Begabung zu fördern. Die Universität Mannhein beispielsweise hat sogennante Gebührenstipendien ins Leben gerufen, die im Wintersemester 2007/2008 erstmalig vergeben werden. Sie werden nach der an der Uni erbrachten Leistung vergeben. Unter den Geldgebern, die auf der Website veröffentlicht werden, befinden sich auch die Deutsche Bank und die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar. Selbstverständlich können die Geldgeber entscheiden, welches Studienfach sie unterstützen wollen. Bisher gibt es 116 Stipendien, die den jeweils Besten der Fächer zugute kommen sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!