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Bedrohte Arten: Reiter und Pferde

■ In Spandau dürfen Reiter jetzt legal durch das Landschaftsschutzgebiet reiten / Baustadtrat unter den Hufen der Reiterlobby?

Spandau. Spandaus Reiter und Reiterinnen sind entzückt: Jetzt dürfen sie legal durch das Landschaftsschutzgebiet Gatow galoppieren. Die Aufstellung von Schildern nach mehrjährigem erbittertem Kleinkrieg zwischen Reitern und Bezirksamt machte es nun möglich. Der Reitweg ist jedoch noch nicht vollendet, ein Viertel der Strecke führt noch über öffentliche Straßen. Eine leichte Mißstimmung lag deswegen auch noch über der „offiziellen“ Eröffnung des Reitwegenetzes am vergangenen Wochenende.

231 Pferde stehen in den Stallungen im Einzugsgebiet des Reitweges. Täglich müssen (müßten) sie ausgeritten werden. 924 Hufe stampfen oder galoppieren dann über die 17 Kilometer lange Strecke, nur fünf Kilometer davon im Wald. Bei Hitze verwandeln sich Reitweg, Pferd und ReiterIn in eine Staubwolke. Dies wurde bei der Eröffnung eindrucksvoll demonstriert. Doch eine Reitwegeröffnung ohne Pferde - das hielten die Organisatoren auch bei über 30 Grad im Schatten nicht für angebracht. Statt dessen ließen sie aber die Blumen für die Politiker in den Ställen - die wollte man bei der Hitze nicht „raus und wieder rein“ schleppen, so Ilona Schäfer, Sprecherin der Reiter-Interessengemeinschaft.

150.000 Mark „reine Sachkosten zuzüglich Personalkosten“, so der Spandauer Baustadtrat Klaus Jungclaus (SPD), hat der Bezirk für den Reitweg ausgeben müssen. Spandau habe „wieder einmal Pionierarbeit geleistet“, erklärt Jungclaus entzückt. Die Pionierleistung bezieht sich auf die Zusammenarbeit von Bezirksamt, Stallbesitzern und Reitern: Das Bezirksamt stellt die Fläche zur Verfügung, die Pflege und Unterhaltung der Reitwege wird von der neu gebildeten „Arbeitsgemeinschaft der Gatower Landwirte“ übernommen, die Reiter zahlen 40 Mark.

Doch eine merkwürdige „Pionierleistung“ ist auch das rechtliche Verfahren. 1987 trat die Landschaftsschutzverordnung für das Gebiet in Kraft: Reiten war seitdem verboten. Zwei Jahre lang ritten die Reiter illegal durch das Landschaftsschutzgebiet, 1989 erteilte der Bezirk auf Druck der Reiterlobby eine Ausnahmegenehmigung. Damit durften sie „auf kürzestem Weg“ das Landschaftsschutzgebiet durchqueren, um in den Wäldern weiterzureiten. Die Ausnahme wurde aufgrund des Artenschutzgesetzes erteilt: Pferde müssen täglich ausgeritten werden - und da kann sie auch ein Landschaftsschutzgebiet nicht dran hindern.

Mit dem neuen Reitweg hat Spandau eine Lücke im Landschaftsschutzgesetz ausgenutzt: Wenn die Reitwege offiziell markiert sind, ist das Reiten auch in der Schutzzone erlaubt. 10 Kilometer sind jetzt markiert. Spezielle „Feldmarken“ werden an die Pferdebesitzer für 40 Mark verkauft. Damit dürfen die ReiterInnen das Landschaftsschutzgebiet dann vom Pferd aus betrachten. Die Pferde waren davon offensichtlich nicht so begeistert wie ihre Besitzer: Durch die rund 50 Besucher in sengender Hitze gereizt, störten sie die Eröffnungsansprachen mehrmals.

Offenen Streit gab es zwischen Baustadtrat Jungclaus und dem für Verkehrssicherheit zuständigen Polizeibeamten Gerhard Schulz: Reiter-Sprecherin Ilona Schäfer führte Politiker, Besucher und Presse an eine Straßenkreuzung, wo Pferde und Autos sich die Straße teilen müssen. „Hier kommt ein Fahrzeug plötzlich an, das Pferd erschrickt, der Reiter stürzt“, schilderte Schulz eindrucksvoll eine mögliche Situation. Das entzürnt Jungclaus, gerade noch erfreut über die Pionierleistung seines Amtes: „Der soll nur privat reden“, schneidet er ihm das Wort ab.

Die Reiterlobby wollte an dieser Stelle zeigen, daß die Reitstrecke „vollendet“ beziehungsweise erweitert werden müsse. „Wir möchten den letzten Schritt auch noch machen“, sagte die Sprecherin Ilona Schäfer und warb bei Politikern und Öffentlichkeit für die Erweiterung des Pferdepfads. Jungclaus empfand dies als Eingriff in die Entscheidungshoheit seiner Behörde: „Das ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit“, so der Stadtrat gereizt.

Rochus Görgen

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