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Archiv-Artikel

Bedroht und verscheucht

FLÜCHTLINGE Roma werden in Europa verfolgt und bedroht, informiert Refugio-Verein: In EU-Staaten wie Rumänien und Ungarn oder dem Beitrittskandidaten Serbien sind Übergriffe an der Tagesordnung

Dann überfuhren Unbekannte die Tochter mit einem Auto, 2010 war das, ein Mordanschlag und die Familie floh nach Deutschland

Mit gesenktem Blick sitzt Herr M. vor einem Dutzend Menschen, denen er etwas über sein Leben als Rom berichten will. Die Sache ist ihm unangenehm, trotzdem spricht der fünffache Vater über die rassistischen Übergriffe, die er in seinem Heimatland Serbien erleben musste.

Herr M. war ein ganz normaler Familienvater: Er war Kfz-Mechaniker und besaß eine Werkstatt. Mit seiner Frau und den fünf Kindern lebte er in seinem eigenen Haus. „Eigentlich habe ich ganz normal gelebt und hatte alles, was ich brauchte“, sagt Herr M. Trotzdem ist er in Serbien Opfer von Gewaltanschlägen und rassistischer Ausgrenzung geworden, denn er gehört der Volksgruppe der Roma an.

Die Kinder wurden in der Schule von Lehrern und Mitschülern diskriminiert und ausgegrenzt, bekamen schlechte Noten. Auf der Straße wurden sie beschimpft, ihr Haus beschmissen sie mit Steinen und zündeten es sogar an. Dann wurde die Tochter vorsätzlich von einem Auto überfahren, 2010 war das, ein Mordanschlag: Die Familie flüchtete nach Deutschland. In Serbien zu leben war ihnen zu gefährlich geworden.

Bei Refugio wird Herr M. nun von Psychologen betreut. Damit ist er nicht der einzige Rom, der sich in dem Therapiezentrum Hilfe gesucht hat. „13 Prozent unserer Neuanmeldungen sind Roma“, sagt Ralph Keller, Trauma- und Musiktherapeut bei Refugio. Dazu kämen Patienten, die sich schon seit längerer Zeit bei Refugio behandeln lassen. Es sei die größte Welle von Roma-Klienten seit dem Kosovo-Krieg, sagt Keller. Nun will der Verein auf ihre Probleme in ihren Heimatländern aufmerksam machen.

Seit 2009 dürfen Bürger Serbiens und Mazedoniens ohne Visum nach Deutschland reisen, 13.000 Menschen baten 2012 um Asyl, bewilligt wurde davon kein einziger Antrag. „Bei uns fehlten am Anfang Dokumente aus Serbien und sie glaubten uns die Geschichte meiner Tochter nicht: Deshalb sollten wir abgeschoben werden“, berichtet Herr M. von seinen Anfängen in Deutschland. Erst als nachgereichte serbische Dokumente den Mordanschlag bestätigten, erhielt die Tochter einen Schutzstatus – und so die ganze Familie eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung.

Hier in Deutschland fühle sich Herr M. sicher, die Nachbarn würden nett grüßen und die Kinder hätten endlich wieder gute Noten in der Schule. Das einzige, was ihm jetzt noch fehle, ist, wie er sagt, eine bezahlte Arbeit. Das sei ein Problem, sagt Marc Millies, Pressesprecher von Refugio: „Mit einem Status, wie ihn Herr M. hat, ist es unglaublich schwer, einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen.“  Kim Neubauer