: Bedenkenträger haben keine Chance
■ „So eine Sauerei“ versaut den deutschen Volleyballerinnen den Erfolg bei der EM
Arnheim (taz) – Riätte Fledderus ist Zuspielerin; einen holländischeren Namen kann es wohl nicht geben, und auch sonst steht Frau Fledderus, 17, stellvertretend für das Team Oranje. Nach dem Halbfinale bei der heimatlichen EM hat ein Journalist gefragt, ob sie gar keine Angst gehabt hätte vor all den riesigen Russinnen auf der anderen Seite des Netzes, wo sie doch nur 1,68 Meter groß ist und nicht besonders furchterregend aussieht, sondern eher kugelig. I wo, hat da Riätte gesagt, „ich denke gar nicht viel nach, ich spiele einfach.“ Die Russinnen haben nichts gegen Riätte und die anderen ausrichten können. Wenn ihre Angreiferin vorn nicht durch den Block kommt, fällt ihnen nicht mehr viel ein, und weil die Holländerinnen einen Block wie eine Wand stellten, war das Spiel schnell 3:1 entschieden. Riätte sei dank und auch Elles Leferink, der Angreiferin, die zielsicher draufgehalten hat, als gäbe es kein morgen. Die ist auch erst 18 und sagt: „Bestimmt wird es schwieriger, wenn ich auf dem Feld zu grübeln anfange, irgendwann.“ Selbstquälerische Bedenkenträger haben keine Chance, die Tageszeitung De Telegraaf hat anderntags die Losung des Teams auf dem Feld bündig zusammengefaßt: Nicht ablenken lassen, „het verstand op nul.“
Daß die deutschen Volleyballerinnen ohne große Gegenwehr 3:0 gegen Kroatien verloren haben, ist zwar ärgerlich, aber zu verschmerzen, weil es immerhin das Halbfinale der Europameisterschaft gewesen ist. Daß sie überhaupt soweit gekommen sind, ist eine respektable Leistung nach Wochen voller Streit und Hader. Die Sporthilfe wird mit den Zahlungen fortfahren und für die nächste EM sind sie automatisch qualifiziert. Ziel erreicht, sagt Bundestrainer Siegfried Köhler, „und dann kommt die Berliner Fraktion und leistet sich mit uns so eine Sauerei.“
Die Berliner Fraktion kam in Gestalt des Trainers Volker Spiegel und des Managers Siegbert Brutschin vom Bundesligaclub CJD Berlin. Dazu muß man wissen, daß es seit langem rumpelt zwischen Köhler und Spiegel, der damals in der DDR Köhlers Assistent in Verein und Nationalauswahl gewesen ist. Der Chef ging in der Wendezeit nach Westen, Spiegel blieb zurück, gewann mit den Berlinerinnen Pokal auf Pokal und tat regelmäßig kund, was er von seinem einstigen Vormann hält: nichts. Gern wurde der aufstrebende Spiegel (32) Köhler (51) im Amt des Bundestrainers beerben.
Was nun die aktuelle Sauerei betrifft: Hätte Bundestrainer Köhler mit seiner Mannschaft das Finale erreicht, wäre sie für den Weltcup in Japan im November qualifiziert gewesen. Ein Erfolg, der allerdings auf Kosten der Vereine gegangen wäre, die ihre Bundesligaterminplanung hätten umschmeißen müssen. Vereinstrainer Spiegel hatte deshalb schon vor dem Halbfinale mitgeteilt, ihm wäre es lieber, wenn die Deutschen verlören. „Ich allein hätte das in mich reinfressen können“, sagt Köhler, „aber sie haben auch noch die Spielerinnen verrückt gemacht.“ Die sollen nämlich von den Berlinern aufgefordert worden sein, sich im Halbfinale nicht über die Maßen anzustrengen. Mehrerer Mannschaftssitzungen habe es bedurft, um die Motivation wieder hinzubiegen.
Das Problem hat sich gelöst. Die Vereine können ungestört spielen, nur der gute Eindruck bei der EM hat unter dem Gezänk gelitten. Vielleicht haben das mit dem Verstand auf Null einige falsch verstanden. Holger Gertz
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