: Bedarfsgerechte Klospülung für Minister Töpfer
Umweltminister Klaus Töpfer läßt ein neues Ministerium in Bonn errichten / Solarzellen auf dem Dach, Blockheizkraftwerk und Schallschutz für die Autobahn / Um das Feuchtbiotop wird noch gestritten / Architekt: „Unterwerfung der Landschaft“ ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
„Zeige mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist“, schrieb einst Christian Morgenstern. Umweltminister Töpfer will sich daran halten: Sein in der Planung befindliches Umweltministerium soll ein Musterbeispiel ökologischen Bauens werden.
Den Gegensatz zwischen Natur und Technik soll das Bauwerk versöhnen, formuliert der Architekt des Gebäudekomplexes, von Gerkan, einen großen Anspruch. Der Bau, der als erstes Bonner Ministerium auf der im Dialekt abfällig „schäl Sick“ genannten rechten Rheinseite errichtet wird, soll Ende 1992 fertiggestellt werden. Bislang befinden sich die Dienststellen des erst seit 1986 bestehenden Ministeriums an sieben verschiedenen Orten der Bundeshauptstadt - allein die nötigen Dienstfahrten seien „ökologisch bedenklich“, sagt Töpfer. Er hält auch eine gute Anbindung an das Nahverkehrsnetz für wichtig, pendelt selbst freilich jeden Tag mit dem Auto vierhundert Kilometer zwischen seinem Wohnort in Mainz und Bonn. Dafür aber soll künftig sein Dienstwagen mit dem gesammelten Regenwasser gereinigt werden.
Der Gebäudekomplex mit sechs jeweils nur zwei- bis dreistöckigen Häusern soll 650 Beamten Platz bieten. Zwei verglaste Gänge, Magistralen genannt, verbinden die Bauwerke. „Im Schnittpunkt der beiden Magistralen liegt das Arbeitszimmer des Ministers, der sich in die Verantwortung begeben hat, beide Antipoden miteinander zu versöhnen“, veranschaulicht der Architekturschamane sein Konzept.
Verwendet werden sollen schadstoffarme und aus Recyclingstoffen gewonnene Baustoffe, aus Entschwefelungsanlagen gewonnener Gips, umweltfreundliche Lacke und Farben; ein eigenes Blockheizkraftwerk und intelligente Regler sollen im Zusammenspiel mit einer Wärmedämmung die Gebäude zum „Niedrigenergiehaus“ machen. Auf das Dach kommen zweihundert Quadratmeter Solarzellen. Das umweltverträgliche Ministerium werde zwar anfänglich teurer als ein normaler Bau; nicht aber, wenn auf Dauer die Betriebskosten berücksichtigt werden, sagen die Ministralen. „Angenehme, stimulierende Arbeitsplätze für Beamte zu schaffen“ sei natürlich auch ein Ziel, sagt Töpfers Staatssekretär. Große Erdwälle an der Autobahn sollen deshalb für Schallschutz sorgen und konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Selbstverständlich werde auch auf Tropenhölzer verzichtet und der Wasserverbrauch der Klospülung bedarfsgerecht eingeschränkt. Und damit die Beamten nicht ihre Aufgabe aus den Augen verlieren, soll eine - natürlich mit Solarstrom gespeiste - riesige Anzeigetafel vor dem Ministerium die Umweltbelastungen der Luft und des Rheins anzeigen.
Doch nicht alle Absichtserklärungen werden realisiert. Die weidende Schafherde auf den Grünflächen, die sich der Minister ausmalte, wurde schon gestrichen: Das Gelände ist dafür nicht groß genug. Und auch um das Feuchtbiotop wird noch gestritten. Der Unterhalt sei zu teuer, sagen die Finanzleute, die den Bau nur insgesamt 130 Millionen Mark kosten lassen wollen. Ein Trockenbiotop biete doch auch einen „Lebensraum für Tiere“, heißt es bereits vorsichtig aus dem Planungsstab, wobei zugegeben wird, daß ein Feuchtbiotop die „größere Symbolkraft“ habe. „Das Herz eines Umweltpolitikers hängt immer ein wenig am Symbolgehalt“, weiß Staatssekretär Stroetmann.
Daß es beim bloßen Symbolgehalt bleibt, ist die Sorge von Bauexperten, die sie auf einer vom Umweltministerium veranstalteten Diskussion äußerten. Einige attestierten dem Konzept, „es hinke zehn Jahre hinter dem Stand des ökologischen Bauens hinterher“. Angesichts einer einseitigen Auslegung als Bürogebäude könne von „ganzheitlicher Nutzung“ nicht die Rede sein. Mißbilligung erregte auch die Baumplanung im „Kasernenhofstil“ mit geradlinigen Reihen und das Feuchtbiotop, das mit seinen exakten Linien wohl eher ein Schwimmbecken sei. Angesichts der am Gebäude vorbeiführenden Autobahnabfahrt mochte man sich eine Froschwanderung lieber nicht vorstellen.
Die Solarzellen, so war zu erfahren, sorgen zudem nur für eineinhalb Prozent des Energieverbrauchs des Ministeriums. Von Einfügung in die Landschaft könne ebenfalls nicht die Rede sein. „Das ist kein Dialog mehr, sondern die Unterwerfung der Landschaft“, klagte der Tübinger Architekt Schempp. Staatssekretär Stroetmann machte denn auch eine Einschränkung: Das Ministerium könne „nicht nur ein reines Demonstrationsobjekt für ökologisches Bauen sein, sondern muß auch die Aufgaben eines Ministeriums erfüllen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen