Bebauung am Gleisdreieckpark: Schlechtes Klima für Hochhäuser
Im Park am Gleisdreieck werben Aktivist*innen für eine „ökologische und soziale Bauwende“ und sammeln Unterschriften für eine Volksinitiative.
Im „Kiosk der Solidarität“, einem mobilen Metallgestell, steht ein Mann am Mikrofon: „Aktuell haben wir in Berlin ungefähr eine Million Quadratmeter leer stehender Büros und gleichzeitig Wohnraummangel“, sagt er zu einem weiteren Dutzend Menschen auf Holzschemeln. „Wir wollen eine Stadt für Menschen und nicht für Investoren.“ Dann ertönt leise der Rauchhaus-Song.
Trotz des geringen Zuspruchs an diesem schwülwarmen Samstag ist der Ort der Veranstaltung nicht zufällig gewählt: Seit 2005 ist am Rand des Parks die Errichtung von sieben bis zu 90 Metern hohen Gebäuden geplant, die fast ausschließlich Büros und Gewerbe beherbergen sollen. „Das ist ein reines Spekulationsobjekt. Der Stadt bringt das nichts“, ärgert sich Patrick Vater von der Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck, die seit Jahren gegen das Projekt kämpft. „Hier werden keine Wohnungen gebaut, der Park wird verschandelt, es ist nicht gut fürs Klima – es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen.“
Angst vor Regressforderung
Obwohl viele Anwohner*innen und auch ein Großteil der BVV Friedrichshain-Kreuzberg gegen die Hochhäuser sind, hält der Senat an dem Projekt fest – angeblich aus Angst, dass der luxemburgische Investmentfonds, der das Gelände inzwischen besitzt, Regressforderungen von bis zu 150 Millionen Euro stellen könnte, sollten die Türme nicht gebaut werden. Zwar sieht ein von der Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck in Auftrag gegebenes Gutachten keinen „Entschädigungsanspruch für enttäuschte Spekulationsgewinne“, womit eine Neuplanung des Gebiets möglich wäre. Doch Anfang Juni zog Bausenator Christian Gaebler (SPD) die Planung an sich.
„Es gibt jetzt dieses Schneller-Bauen-Gesetz, was im Grunde dazu führt, dass wichtige Prozesse übergangen werden“, so Patrick Vater. Die Landesregierung habe das Projekt an sich gezogen, um dem Investor gerecht zu werden und ein Exempel zu statuieren: „Reiner Aktionismus“, findet er.
Gerrit Naber von Klimaneustart Berlin hingegen teilt das Ziel, „in der Stadt schneller dringend benötigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen“. Dafür hat sich seine Initiative eine neue Kampagne ausgedacht, für die sie heute Unterschriften sammelt: „Bauwende für Berlin – ökologisch und sozial“, heißt sie.
Realpolitisch, nicht revolutionär
Die Kernpunkte sind eher realpolitisch als revolutionär: Die Initiative fordert unter anderem ein Bestandsregister, das alle leerstehenden und nutzbaren Gebäude erfasst, ein begrenztes CO2-Budget für Neubau- und Sanierungsprojekte sowie die Sanktionierung von dauerhaftem Leerstand und missbräuchlicher Nutzung. Für eine Volksinitiative will sie bis Mitte Oktober 20.000 Unterschriften sammeln. Sollte sie die zusammenbekommen, kann sie ihre Vorschläge direkt ins Abgeordnetenhaus tragen.
„Wir müssen bedarfsgerecht planen, wir müssen genau das bauen, was wir brauchen“, erklärt Gerrit Naber die Forderung nach einem Bestandsregister, „und bevor wir bauen, müssen wir nutzen, was da ist, und sanieren.“ Abriss könne man sich „vor dem Hintergrund dieser Doppelkrise, die wir haben, Wohnraummangel und Klimakrise, nicht mehr erlauben. Bauen dauert zu lange, erzeugt ganz viel CO2, Abfall, Lärm und Stress in der Stadt – und die Wohnungen sind teuer.“
Obwohl die Initiative Klimaneustart Berlin mit ihrem Klima-Volksentscheid im vergangenen Jahr gescheitert ist, und obwohl erfolgreiche Volksentscheide vom Berliner Senat bekanntermaßen verschleppt werden, gibt sich Naber optimistisch: „Im Grunde bleibt uns keine andere Wahl“, sagt er: „Wir müssen die Transformation anschieben, und dafür ist die Volksinitiative ein gutes Mittel. Es ist wichtig, dass die Stadtbevölkerung erfährt, was eigentlich geschieht. Dass es Bauprojekte wie am Gleisdreieck gibt, und dass es Wohnraummangel gibt, der aber kaum angegangen wird – obwohl es Potenzial im Bestand gäbe.“
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