Beamte schlugen offenbar Gefangene: Nazi-Vorwürfe gegen Schließer
Rechtsextreme Justizvollzugsbeamte sollen in Hannover Gefangene geschlagen haben. Das Justizministerium und die Staatsanwaltschaft untersuchen den Fall.
Ein Wärter soll sich von Gefangenen mit „Führer“ ansprechen lassen – und besonders gegenüber Gefangenen mit Migrationshintergrund gewalttätig werden. Er selbst habe gesehen, wie einem auf dem Boden liegenden Häftling ein Knie ins Gesicht gedrückt und dieser dabei geschlagen worden sei, behauptet der anonyme Informant. In Hannovers Gefängnis könne niemand mehr arbeiten, der „noch ein Gewissen hat“ – auch die Anstaltsleitung wisse von den Misshandlungen, decke aber die Täter.
Ähnliche Vorwürfe waren bereits im Juni in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Hannover laut geworden. Dort muss sich ein weiterer Justizbediensteter verantworten, weil er ausgemusterte Handschellen zum Verkauf angeboten haben soll – unter dem Pseudonym „Kerkermeister1972“ verhökerte der 43-Jährige die Fesseln zu Preisen zwischen 36 bis 130 Euro bei Ebay.
Persönlich habe er sich aber nicht bereichern wollen, so der Angeklagte: Der Verkauf sei mit Vorgesetzten und dem Justizministerium abgesprochen gewesen, erklärte sein Anwalt Andreas Hüttl. Von dem Erlös hätte Ausrüstung für die Gefängnismitarbeiter beschafft werden sollen.
Da sein Mandant gegenüber seinen Kollegen im Gefängnis aber vehement gegen die Misshandlungen der Häftlinge protestiert habe, werde der Verkauf genutzt, um ihn unter dem Vorwurf des Diebstahls und des Betruges aus dem Dienst zu entfernen, behauptet der Amtsinspektor.
Schon im Juni hatte die Staatsanwaltschaft Hannover deshalb begonnen, die Vorwürfe gegen das Gefängnispersonal zu untersuchen. Greifbare Ergebnisse aber können die Ermittler auch drei Monate später nicht vorweisen: „Wir führen das Verfahren weiter als allgemeine Rechtssache, befinden uns also im Stadium von Vorermittlungen“, so deren Sprecher Thomas Kling. „Solche Vorwürfe sind aber immer schwierig zu beurteilen“, sagt der Oberstaatsanwalt: „Sie werden genauestens geprüft.“
Genau das aber bezweifeln Abgeordnete des Landtags-Unterausschusses Justizvollzug. „Zur Aufklärung wurde die Anstaltsleitung befragt, die aber in dem Schreiben belastet wird“, kritisiert etwa der Christdemokrat Lutz Winkelmann. Auch das Justizressort sei offenbar nicht an einer schnellen Aufklärung interessiert, meint der Abgeordnete Marco Genthe von der FDP: „Das Ministerium weiß seit Monaten Bescheid über diese Zustände und hat zu langsam reagiert.“
Zumindest indirekt zielen CDU und FDP damit auf Justizministerin Niewisch-Lennartz. Sollten sich die Misshandlungsvorwürfe bestätigen, geriete die abermals unter starken Druck – dabei gilt die Grüne nach diversen Durchstechereien von Ermittlungsdetails in den Verfahren gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff und den SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy in Niedersachsens Landeshauptstadt bereits als angeschlagen. Auch nach der Flucht von Gefangenen versuchte die Opposition, Niewisch-Lennartz als personifiziertes Sicherheitsrisiko darzustellen.
Unterstützung bekommt die Ministerin deshalb von ihrem Parteifreund Heiner Scholing (Grüne), der ebenfalls Mitglied im Landtags-Unterausschuss ist: „Ich habe keinen Zweifel“, sagt der Abgeordnete, „dass Staatsanwaltschaft und Justizministerium professionell arbeiten.“
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