Beachvolleyballerinnen erfolgreich: Noch ein Sieg für Georgien
Die georgischen Olympioniken feiern jeden Sieg über Russland. Auch den der aus Brasilien stammenden Beachvolleyballerinnen.
PEKING taz Ihr Spiel ist seit mehr als einer Stunde zu Ende. Noch immer ist sie umringt von mehr als zwei Dutzend Journalisten. Immer wieder werden die gleichen Fragen gestellt. Andrezza Chagas stört das nicht. Sie strahlt. Die Beachvolleyballerin, 1977 in Brasilien geboren, ist gerade mit ihrer Partnerin Cristine Santanna in die nächste Runde des olympischen Turniers aufgestiegen. "Das war der wichtigste Tag in meinem Leben", sagt sie. "Und ein großer Tag für Georgien", fügt Levan Achvlediani an, der Präsident des georgischen Volleyballverbandes. Chagas und Santana spielen seit zwei Jahren für Georgien Beachvolleyball. Am Mittwoch haben sie das russische Duo Alexandra Schirjajewa und Natalia Urjadowa 10:21, 22:20, 15:12 geschlagen. "Das ist die gute Nachricht des Tages", tönte Achvlediani, "Georgien bleibt im Wettbewerb, Russland muss nach Hause fahren."
"Georgia, Georgia!", skandiert die etwa zehnköpfige Entourage der eingebürgerten Brasilianerinnen immer wieder. Der Pressesprecher des Teams, Giorgi Tschanischwili, läuft mit der Fahne seines Heimatlandes jeder Kamera vor die Linse, die sich in seiner Nähe befindet. Es sind sehr viele. "Dieser Sieg ist so wichtig für die Menschen in unserem Land." Er strahlt und wird nicht müde, die politische Bedeutung des Spiels zu betonen, das sich die Strandvolleyballteams aus Georgien und Russland gerade geliefert hatten.
Dann drängt sich wieder der Verbandschef vor die Journalisten. "Jeder kleine Sieg bei Olympia ist für Georgien ein bedeutender Erfolg", meint er. "Schauen Sie", fordert er die Journalisten auf und zeigt auf die Spielerinnen, für deren Einbürgerung er selbst sich einst beim georgischen Staatspräsidenten Michail Saakaschwili eingesetzt hatte. Santanna und Chagas werden von Dutzenden chinesischer Zuschauer bedrängt und schreiben Autogramme. Der Kaukasus-Krieg um Südossetien hat sie zu Stars für einen Tag gemacht. Die beiden scheinen das ganz gut zu finden.
Für die russischen Verliererinnen interessiert sich schnell niemand mehr. Sie machen unmissverständlich klar, dass für sie das Spiel keinerlei politische Bedeutung hatte. Mit steinerner Miene sagt Alexandra Schirjajewa über ihre Gegnerinnen: "Die wissen doch nicht einmal, wer der georgische Präsident ist, wie können sie sagen, dass sie Georgier sind." Sie spricht von einem "dummen Krieg" und hat so gar kein Verständnis für den lärmenden Auftritt der stolzen Georgier am Rande des Beachvolleyballgeländes. Es sei ja ganz schön, dass jetzt die Bilder von den Shakehands vor und nach der Partie um die Welt gingen, aber eigentlich habe das doch nichts zu bedeuten. "Das sind Brasilianerinnen", sagt Schirjajewa ein ums andere Mal und will damit vom Feld der Weltpolitik auf das Gebiet der Sportpolitik wechseln.
Brasilien ist die führende Nation im Beachvolleyball. Jeder Verband darf indes nur zwei Paare in den Wettbewerb schicken. Weil Chagas und Santana für Georgien starten, stehen nun drei brasilianische Paarungen im olympischen Turnier. Die Russinnen finden das nicht in Ordnung. "Sie sind schlechte Verliererinnen", giftet der georgische Verbandschef, als er das hört. "Das ist doch heute normal, dass man zwei Staatsbürgerschaften hat."
Für Achvlediani ist Beachvolleyball ein nationales Projekt. Er wollte sich mit seinem Verband unbedingt bei Olympia zeigen. Volleyballer aus Georgien hätten ihm seinen Traum nie und nimmer erfüllen können. Er sah sich in der Turnierszene um und machte Werbung für sein Land. Auch ein brasilianisches Männerpaar hat er für Georgien angeworben. Renato Gomes und Jorge Terceiro spielten gestern gegen Emanuel Fernandes und Santos Abreu Morais aus Angola. Auch sie haben drei Spiele lang Georgien vertreten. Auf dem Trikot des einen stand "Geor", auf dem des anderen "Gia". Auch dem Frauenpaar wurden für Olympia neue Namen verpasst. Santanna nennt sich "Saka" ihre Partnerin "Rtvelo". Sakartvelo heißt in der Sprache ihres neuen Landes Georgien. Das wissen sie. Ansonsten haben sie wenig Bezug zu dem Kaukasusstaat. Als der Krieg begann, wären die meisten Athleten am liebsten abgereist, um ihren Familien und Freunden nahe sein zu können. "Das war für uns natürlich keine Überlegung", sagt Saka alias Santanna dazu, "wenn wir nach Hause fliegen, dann sind wir in Brasilien." Aber sie habe die Teamkameraden verstehen können und hätte die Entscheidung mitgetragen. Weil Präsident Saakaschwili interveniert hat und die Athleten, die schon auf gepackten Koffern saßen, aufgefordert hat, in Peking zu bleiben, sind Saka/Rtvelo noch im Turnier.
Teamsprecher Tschanischwili erzählt, dass eine Delegation des georgischen Olympiakomitees vor dem Spiel mit Santanna und Chagas gesprochen habe. Man habe die beiden über die politische Bedeutung des Spiels gegen die Russinnen aufgeklärt. Sie seien jetzt über die Lage am Kaukasus genauso gut informiert wie der Rest des Teams. "Die hängen fast den ganzen Tag am Internet", erzählt Volleyballchef Achvlediani, "und wollen herausfinden, ob Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn zu den Opfern der russischen Angriffe zählen. Dabei sollten sie sich eigentlich auf ihren Sport konzentrieren." Das Team sei zwar letztlich überzeugt davon gewesen, dass die Entscheidung, in Peking zu bleiben, richtig war, "auch im Sinne des olympischen Geistes, bei dem es ja gerade um die Teilnahme geht". Dennoch seien etliche Sportler "mental nach Hause gereist", so Achvlediani. Die georgischen Judoka, die zu dem besten der Welt gehörten, hätten bislang nicht einmal Bronze gewonnen. "Eigentlich unvorstellbar", sagt er, "aber das ist der Krieg".
"Jetzt gehe ich aber erst duschen." Andrezza Chagas verspricht einem aufdringlichen Team des belgischen Fernsehen, gleich wieder da zu sein. Bald wird es den Satz im Kasten haben, den Chagas heute schon etlichen Kollegen in die Blöcke diktiert hat: "Noch nie habe ich mich so georgisch gefühlt wie heute." Teamsprecher Tschanischwili grinst und fotografiert die Medienmeute, die sich immer noch um die Sportlerinnen und ihren Verbandspräsidenten schart. Er genießt das Medieninteresse. Das könnte am Sonntag und Montag noch einmal ähnlich groß sein wie an diesem Tag. Dann greifen die Gewichtheber Albert Kuzilow und Arsen Kasabiew, als Europameister sogar heißer Medaillenkandidat, für Georgien zur Hantel. Die beiden kommen aus Südossetien. "Tragen die beiden nicht russische Namen?", wird der Teamsprecher gefragt? "Das sind echte Georgier und sie fühlen auch so, darauf können Sie sich verlassen", sagt Tschnischwili und legt seine rechte Hand auf die stolzgeschwellte Brust.
Derweil schlagen sich Renato Gomes und Jorge Terceiro auf dem Center Court ein. Gleich spielen sie für Georgien gegen Angola. Die grün-gelb gekleideten Fans aus Brasilien feuern ihre Landsleute an und skandieren: "Georgia, Georgia!" Gomes und Terceiro gewinnen klar in zwei Sätzen. Noch ein Sieg für Georgien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!