Beachvolleyball-EM in Berlin: Keine Spuren im Sand
Am Dienstag beginnt die Beachvolleyball-EM in Berlin. Die deutschen Teams starten als große Favoriten. Nun muss das nur noch jemand mitkriegen in Deutschland.
Der Beachvolleyballsport in Deutschland aalt sich im eigenen Erfolg. Es sind gute Zeiten für die deutschen Sandsportler. Nachdem Julius Brink und Jonas Reckermann letztes Jahr als erstes europäisches Team eine Weltmeisterschaft gewannen, gehen sie auch in die morgen beginnende Europameisterschaft in Berlin als Favoriten an den Start.
Doch es gibt nicht nur Brink und Reckermann. Sara Goller und Laura Ludwig haben hervorragende Chancen auf den EM-Titel, den sie 2008 schon einmal gewonnen haben. Und auch die weiteren deutschen Teams besitzen gute Aussichten: David Klemperer und Eric Koreng kann man ebenso wie Katrin Holtwick und Ilka Semmler eine Medaillen zutrauen.
Doch beinahe wäre diese Elite des Beachvolleyballs bei der EM im eigenen Land gar nicht erst angetreten. Grund dafür ist ein Streit zwischen dem Europäischen Volleyball-Verband (CEV) und der in Zürich ansässigen Vermarktungsagentur Global Sports Marketing (GSM). Letztere hatte nach finanziellen Schwierigkeiten Preisgelder an die Spieler in Höhe von insgesamt 300.000 Euro zurückgehalten, sich bei den Spielern über das Ausbleiben des Geldes nicht erklärt und schlussendlich ihre Insolvenz erklärt.
Im Gegenzug drohten die Profis mit Boykott. Die Drohung hatte Erfolg: Der CEV und die neu gegründete Schwestergesellschaft GSM Deutschland fanden eine Übergangslösung, die Spieler haben erst einmal zumindest die Hälfte der ausstehenden Prämien erhalten.
Nun, da die Teilnahme der deutschen Spitzenspieler gesichert ist, will der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) die EM nutzen, das Spiel im Sand weiter zu popularisieren. Denn das tut not: Die deutschen Beachvolleyballer sind sportlich spitze, aber in der Öffentlichkeit wird das kaum wahrgenommen. Brink/Reckermann sind amtierende Weltmeister, aber für ein großes Turnier der World Tour fehlt in Deutschland momentan der Markt.
Das zu ändern, dazu scheint Berlin ein gutes Pflaster: Die Turniere, die vor allem zu Hochzeiten des Beachvolleyball-Booms um die Jahrtausendwende in der Hauptstadt stattfanden, waren stets gut besucht. Dass das auch bei der EM so sein möge, das hoffen sowohl GSM Deutschland also auch der Turnierorganisator Siegbert Brutschin. Der erwartet "ein hervorragendes Ereignis, dass vom Publikum sehr gut angenommen wird". Falls dem nicht so sein sollte, hat Brutschin bereits die Verantwortlichen ausgemacht: die Medien. Die würden vornehmlich berichten, wenn es Skandale gäbe, über die sportlichen Aspekte aber kaum.
Tatsächlich leidet die sandige Variante des Hallensports darunter, dass sie in der Öffentlichkeit immer noch als Funsport wahrgenommen wird. Dafür gibt es aus Sicht der Akteure vor allem einen Schuldigen: RTL. Der Privatsender übernahm 2004 die Fernsehübertragungen und setzte vor allem auf kurze Hosen, knappe Bikini-Oberteile und einen gewissen Reiner Calmund als Präsentator. Das Konzept floppte, RTL stieg nach nur einem Jahr wieder aus dem Beachvolleyball aus.
Die Idee, den Sport vor allem über den Sex zu verkaufen, sei aus Sicht von GSM damals durchaus nachvollziehbar gewesen: "Der deutsche Beachvolleyball konnte zu der Zeit noch nicht mit richtig guten nationalen Größen auftrumpfen und so hat man sich bei RTL auf den anderen Aspekt der Sportart konzentriert", sagt Hinnerk Femerling von GSM Deutschland, die das Event dieses Jahr wieder vermarkten.
Ob man dabei auch bei der EM auf diese alten Konzepte zurückgreifen werde? Man habe jedenfalls nicht vor, so der Managing Director Femerling, "das Rad neu zu erfinden", und werde "an Gutem festhalten". Der GSM-Mann räumt aber ein, dass RTL den sportlichen Aspekt des Sports zu weit in den Hintergrund gedrängt habe.
Nun könnte es anders laufen. Deutschland gehört sowohl bei Männern wie bei Frauen zu den besten vier Nationen der Welt, in die Europameisterschaft gehen alle Teams mit Titelchancen. Der Beachvolleyball in Deutschland hat eine einmalige Chance: Sich endlich einmal allein über sportliche Erfolge zu verkaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“