Bayrische Kultband "Biermösl Blosn": Zerstrittene Brüder, langweilige Partei
Das Trio "Biermösl Blosn" will sich nach 20 erfolgreichen Jahren auf der Bühne auflösen. Die drei Brüder seien zerstritten, und die CSU liefere nicht mehr genug Inhalte.
MÜNCHEN taz | Nichts ist mehr, wie’s mal war in Bayern. Edmund Stoiber: im Austragsstüberl. Seine CSU: am Boden, oder sogar noch ein Stück tiefer. Die SPD: stellt womöglich den nächsten Ministerpräsidenten. Philipp Lahm: Dämlack und Petze statt Vorbild-Schwiegersohn. Und die Biermösl Blosn: so zerstritten, dass es sie bald nicht mehr gibt. Was ist bloß los im schönen Bayernland?
Die jüngste Meldung vom baldigen Ende der erfolgreichsten, höchstdekoriertesten Musik- und Kabarettgruppe des Landes war in etwa so undenkbar wie die Ankündigung der Wiesnwirte, für das Oktoberfest die Bierpreise senken zu wollen.
Undenkbar, dass die Biermösl Blosn nach 35 Bühnen-Jahren künftig keine Blosn, also keine Gruppe oder Clique mehr sein soll, sondern ein Duo, das sich womöglich mit anderen Mitgliedern der Künstler-Großfamilie Well zusammen tut sowie ein Einzelkämpfer, der über eine Zusammenarbeit mit seinem Kabarettisten-Vorbild Dieter Hildebrandt (84) nachdenkt. "Es gibt Überlegungen für ein paar gemeinsame Abende", sagte Hildebrandt.
Die Bedeutung der Biermösl Blosn, deren Name sich vom Beerenmoos im heimischen Günzlhofen, 40 Kilometer westlich von München, herleitet, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. In den frühen 80er Jahren bildeten sie im Verbund mit Gerhard Polt, ihrem Bruder im Geiste, die Speerspitze im Kampf gegen die allmächtige CSU und deren entsprechendes Gebaren.
Als sie die allseits beliebte Bayern-Hymne "Gott mit dir, du Land der Bayern" in "Gott mit dir, du Land der Baywa" verfremdete und mit dem Text in Anspielung auf den Agrarhändler BayWa die veränderten Lebensbedingungen im Freistaat anprangerte, spielte der Bayerische Rundfunk zeitweise die Lieder des Trios nicht mehr. Der Text schaffte es versehentlich sogar in ein bayerisches Schulbuch. So was nennt man wohl Realsatire.
"Die CSU ist nicht mehr das, was sie einmal war"
Stoff hatten die drei, die mit Hausmusik und zwölf weiteren Geschwistern aufwuchsen, insofern jede Menge. Im Lauf der Jahre wurde auch das zum Problem, wie Hans Well, studierter Germanist und Historiker und mit 58 der Älteste, nun erläuterte: "Es wurde seit fünf Jahren immer schwieriger, neue Texte einzustudieren", sagte der Textchef und "Kopf" des Trios, "Die CSU ist nicht mehr das, was sie einmal war", nannte Hans Well als Beispiel dafür, dass er in seinen Liedtexten stets auf veränderte politische Rahmenbedingungen reagieren wollte.
Der Atomausstieg sei ein weiteres Beispiel: "Ich habe einen Stau von bis zu 30 Texten." Wenn das Trio diese Veränderungen in seinen Auftritten nicht mehr zum Thema machen könne, "dann fehlt genau das, was die Biermösl Blosn ausmacht". Hans Well sprach von einem längeren Prozess der inhaltlichen Entfremdung von den Brüdern Michael und Christoph ("Stofferl"): "Ich war immer öfter verzweifelt." Es habe sich der "Segen und Fluch einer Familie" gezeigt, meinte Hans Well: "Wir sind Brüder, und wir haben schon immer gestritten."
Ein Bruderstreit, tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten: So was kommt in den besten Familien vor - aber doch bittschön nicht bei den Wells! Nie waren sie sich zu schade für Auftritte bei Vereinsfesten oder Feuerwehrjubiläen auf dem Land, die sie genauso hinreißend und mit Verve bestritten wie die vollkommen zurecht heftigst bejubelten Bühnenproduktionen mit den Münchner Kammerspielen. "München leuchtet", "Diridari", "Tschurangrati": Das waren Theaterproduktionen, von denen die Zuschauer noch Jahrezehnte später in den hellsten Farben schwärmen können. 20 Programme seit 1980, dazu herrliche Liederbücher wie "Sepp, Depp, Hennadreck" oder "Zing Zang Zing" - und das soll nun alles vorbei sein?
Der letzte gemeinsame Auftritt der Biermösl Blosn, ein letztes Mal mit Gerhard Polt, soll im schmucken Stadttheater von Fürth über die Bühne gehen, am 20. Januar, einem Freitag: "Es wird ein Freitag g’wesen sein, ein schwarzer Freitag obendrein."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles