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BayernSeehofer bei Nazi-Gegnern

Auf seiner Bayern-Tour kam der Anwärter auf den CSU-Vorsitz auch zur Anti-NPD-Demo in Wunsiedel. Die Stadt sei ein "Leuchtturm im Kampf gegen Nazis", lobte Seehofer.

"Bunt, nicht braun": Bundesminister Horst Seehofer (3. von links) in Wunsiedel Bild: dpa

Plötzlich steht eine Schülerin vor Horst Seehofer und drückt ihm einen Luftballon in die Hand. Schließlich soll Wunsiedel heute ja Farbe bekennen. Für Seehofer hat sie einen roten ausgesucht. Ausgerechnet. Seehofer gibt den Ballon lieber ganz schnell an seinen Referenten weiter - wie sähe das auch auf den Fotos aus, der Kandidat für den CSU-Vorsitz mit einem roten Ballon?

Kurz darauf läuft Seehofer an der Spitze des Demonstrationszugs mit, zu dem sich mehrere hundert NPD-Gegner aufgemacht haben. Er greift gerade das Transparent mit dem Slogan "Wunsiedel ist bunt", als sich Ludwig Stiegler, der Vorsitzende der bayerischen SPD, grinsend neben ihn stellt. In der Hand hält er: den roten Luftballon.

Wunsiedel im Fichtelgebirge: Seit zwanzig Jahren ist die oberfränkische Kleinstadt eine Pilgerstätte der Rechtsextremen. Denn hier liegt Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß begraben, der vor 20 Jahren im Gefängnis Selbstmord beging. Jedes Jahr an Heß Todestag am 17. August wollen Neonazis in Wunsiedel des NS-Kriegsverbrechers gedenken. 2005 und 2006 haben die Gerichte dies jedoch verboten, so auch in diesem Jahr.

Die Wunsiedler feierten am Wochenende trotzdem - bzw. gerade deswegen - ihren "Tag der Demokratie", mit Dudelsack und Falafelständen, Coverrock und Luftballons. Antifa neben Junger Union, Gewerkschaftler neben den Motorradfreunden Marktredwitz. Ein schönes Fest.

Dass aber Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer in diesem Jahr nach Wunsiedel gekommen ist, hat wohl auch andere Gründe. "Ich kann ja schlecht in Quarantäne gehen", sagt Seehofer. Er möchte nach wie vor zum CSU-Vorsitzenden gewählt werden beim Parteitag Ende September, auch wenn seine Chancen schlecht stehen - spätestens seit Seehofers frühere Geliebte Anfang August Details ihrer Beziehung öffentlich gemacht hat, samt Fotos von der gemeinsamen Tochter. In Umfragen sprechen sich 45 Prozent der CSU-Anhänger für den Konkurrenten, den bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber, als CSU-Chef aus, Seehofer kommt nur noch auf rund 30 Prozent. Den Stern ließ der 58-jährige Seehofer gerade wissen, dass er kurz daran gedacht habe, alles hinzuschmeißen. "Das letzte halbe Jahr war ein Stahlbad."

Doch Seehofer kämpft weiter, tingelt über Dörfer und Feste. Eine Sisyphusaufgabe, wie es scheint. Aber die bewältigt Seehofer, der Volkstribun, mit links. In Riedering beim 100-jährigen Jubiläum des Trachtenvereins Almengrün erhielt er kürzlich "stürmischen Applaus", wie das Oberbayerische Volksblatt meldete. Im Unterallgäu wurde er "mit freundlichem Applaus empfangen und mit lang anhaltendem Beifall verabschiedet".

Auch in der 10.000-Einwohner-Stadt Wunsiedel mögen ihn viele Menschen. "Locker, souverän und volksnah", sagt ein Jung-Unionist nach dem Friedensmarsch. Und eine ältere Dame ergänzt: "Ein netter und auch schöner Mann. Ich würd ihn nehmen, wenn er nicht schon zwei Frauen hätte." Der CSU-Kreisverband stellt sich jedoch auf die Seite von Konkurrent Huber. Ihm trauen viele eher zu, dass er die Wirtschaftsprobleme in der strukturschwachen Region angeht, in der die Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren um 15 Prozent sinkt.

Gleich nach Andi und Alex aus Kasachstan, den "Breakdancern gegen rechts", darf Seehofer am Nachmittag auf der Bühne am Marktplatz sprechen. Seehofer lässt die Parteipolitik außen vor, das gebietet der Anlass. Dafür schmeichelt er den Wunsiedlern. "Wunsiedel und seine Bürger sind zum Inbegriff für wehrhafte Demokratie in ganz Deutschland geworden", sagt der Minister. "Ein Leuchtturm im Kampf gegen alte und neue Nazis." Nur einmal, da verhaspelt er sich ziemlich, spricht vom roten Sumpf statt vom braunen, den es auszutrocknen gelte. Doch auch das bringt Seehofer Lacher ein, während Bayern-SPD-Chef Ludwig Stiegler das Gesicht verzieht.

Stiegler ist kurz nach Seehofer dran, mittlerweile ohne roten Luftballon in der Hand, den er zuvor in den Himmel hat steigen lassen. Stiegler redet doppelt so laut wie Seehofer, dafür nur halb so lang. Auch er will den "braunen Sumpf" austrocknen und beendet, wie Seehofer vor ihm, seine Rede mit "Glück auf!" - schließlich ist man in einer alten Bergbauregion.

Als Stiegler von der Bühne geht, ruft Seehofer laut: "Ludwig!" Er winkt Stiegler zu sich und klopft ihm anerkennend auf die Schulter. Stiegler lächelt und flüstert Seehofer zu: "Wir beide, wir verstehen es eben."

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