Bayern München im CL-Viertelfinale: Ein bissiger Underdog

Der FC Bayern München schlüpft in eine taktisch ungewohnte Rolle und besiegt Paris St.-Germain im Achtelfinale der Champions League.

Vom Ergänzungs- zum Schlüsselspieler: Josip Stanišić (l.) gegen Kylian Mbappé.

Vom Ergänzungs- zum Schlüsselspieler: Josip Stanišić (l.) gegen Kylian Mbappé Foto: Kai Pfaffenbach/rtr

Das hat man lange nicht mehr gesehen in der Arena im Norden Münchens. Der FC Bayern stand tief in der eigenen Hälfte und ließ die Gegner aus Paris kommen. Was den Münchnern, die normalerweise ihre Gegner früh attackieren, in der ersten Halbzeit nur zeitweise gelungen ist, wuchs sich in der zweiten Hälfte zu wahrer Verteidigungsperfektion aus. Am Ende stand ein 2:0-Erfolg gegen das Team um den verehrten Lionel Messi und den gefürchteten Kylian Mbappé, ein Sieg, der den Einzug der Bayern ins Viertelfinale der Champions League bedeutete.

Die drei Innenverteidiger in Erwartung der Gegner so tief in der eigenen Hälfte zu positionieren, war das taktische Kern­element des Bayernerfolgs an diesem Abend. Dabei diskutierte die ganze Stadt einen Tag lang, ob eine solche Idee überhaupt gut gehen kann, wenn neben den bewährten Abwehrrecken Matthijs de Ligt und Dayot Upamecano der Münchner Kroate Josip Stanišić auf die Urgewalt eines Kylian Mbappé treffen würde. Kaum einer traute das dem 22-Jährigen zu.

Am Ende bescheinigte Trainer Julian Nagelsmann Stanišić eine Weltklasseleistung. Der Stolz darauf, dass sein Matchplan aufgegangen ist, war ihm nach dem Spiel deutlich anzumerken. Er bekomme ja hauptsächlich Shit ab, wenn über ihn geschrieben werde, meinte er nach dem Spiel, aber nach einem Sieg wie diesem will er schon auch „einen Teil des Kuchens“ abbekommen, wenn das Team gelobt wird. Soll er haben, bitte sehr!

In München ist ohnehin gut angekommen, wie die Bayern aufgetreten sind. Ein erster Befreiungsschlag aus der Abwehr wurde schon in der 25. Minute abgefeuert. Die meisten im Stadion bejubelten diesen planlosen Kick ins Nichts fast genauso lautstark wie die irrwitzige Rettungsaktion von Matthijs de Ligt kurz danach, der einen Schuss aufs Tor, das deswegen leer war, weil sich Keeper Yann Sommer zuvor an der Strafraumgrenze verdribbelt hatte, noch von der Linie gekratzt hat.

Bis zum Ende der Partie wurde jedes Tackling gegen Lionel Messi gefeiert, jeder Ball, der zur Ecke für Paris geklärt worden ist, bejubelt – und wenn sich Mbappé mal wieder nicht hat durchsetzen können, wurde es besonders laut in der Arena. Es war eine Underdog-Performance, die der FC Bayern da abgeliefert hat, und irgendwann fühlten sich alle pudelwohl in dieser ungewohnten Rolle.

Kitschige Geschichte

Vorbereitet worden war die ein paar Tage zuvor vom immer noch sehr präsenten Ehrenpräsidenten der Münchner Uli Hoeneß, der rot-weißen Eminenz des Klubs. Der hatte in einem längeren Gespräch der Abendzeitung noch einmal die kitischige Geschichte vom FC Bayern als ehrenwerter Mitgliederverein aufgetischt. Die Geschichte der braven Münchner, die sich gegen den Investorenklub in katarischem Besitz, der sich alles kaufen kann, was zwei Beine hat, wie David mit der Schleuder gegen Goliath zur Wehr setzen.

Gewiss, die dreistelligen Millionengagen und Ablösesummen für die größten Stars der Welt wird sich der FC Bayern so schnell nicht leisten. Aber es dürfte sich auch nur schwerlich ein Sponsor wie Qatar Airways finden lassen, der an die 25 Millionen Euro dafür zahlt, um auf dem Trikot der Bayern ein kleines Plätzchen besetzen zu dürfen.

Ein bemerkenswert merkwürdiges Transparent hat die Hoeneß-Mär gleich aufgenommen. Da war der Metzgerssohn aus Ulm abgebildet, wie er den Stinkefinger zeigt. Dazu war ein Fleischerbeil zu sehen und der von diesem durchtrennte Arm. „Unser Metzger schlachtet den langen Arm von Katar“, stand auf Französisch auf der Plane, als sei es nicht auch Hoeneß selbst gewesen, der den FC Bayern durch die Partnerschaft mit katarischen Staatsunternehmen zu einem Marketinginstrument des stinkreichen Emirats hat werden lassen.

Mit Spielbeginn war das Transparent dann eh verschwunden und die Zuschauer durften sich an ein paar wirklich schönen Duellen auf Augenhöhe erfreuen. Wie sich die zwei Sechser, der Pariser Marco Veratti und Bayerns Joshua Kimmich beharkt haben, das war durchaus spektakulär und Zweikampffußball für Feinschmecker.

Dass am Ende Veratti als Looser in diesem Duell dastand, lag auch an dem schier unfassbaren Ballverlust im eigenen Strafraum, der dem 1:0 der Bayern durch Eric-Maxim Choupo-Moting vorausgegangen war. Und noch ein Pärchen lieferte eine große Show. Wie sich auf der Außenbahn Achraf Hakimi und Alphonso Davies duelliert haben, könnte man sich gut und gerne noch ein paar Mal ansehen. Mal sprinteten sie um die Wette, mal schlugen sie Haken, mal gewann der eine, mal der andere.

Und doch wunderten sich nicht wenige, dass der marokkanische Nationalspieler überhaupt in München aufgelaufen ist. Im Pariser Vorort Nanterre wird wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung gegen Hakimi ermittelt. Der bestreitet die Vorwürfe, sein Klub kommentiert den Fall nicht und sah offenbar kein Problem darin, den 24-Jährigen gegen München auflaufen zu lassen.

Das passte so gar nicht zu den Transparenten der traditionell aktiven Ultraszene der Münchner, die zu diesem Spiel am Frauentag in der Kurve gezeigt wurden. „Feminismus heißt Widerstand“ war darauf zu lesen sowie die Parole der gegen das Mullah-­Regime protestierenden Frauen im Iran „Jin, Jiyan, Azadî“ – Frau, Leben, Freiheit.

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