Bayerische Bauwut: Bauen, auch gegen den Wähler
Der Protest gegen Großprojekte, wie den Ausbau des Münchner Flughafens, kostete die CSU die absolute Mehrheit in Bayern. Doch die neue Regierung baut weiter wie bisher.
UNTERSCHLEISSHEIM taz Die Halle ist viel zu groß. Links und rechts erheben sich plastikbestuhlte Tribünen. Es gibt genug Platz für 3.000 Zuschauer. Unter einer großen Leinwand sitzen 19 Flughafenmitarbeiter mit ihren Laptops. 30 Startbahngegner warten auf Antworten. Sie kämpfen gegen den Wertverlust ihrer Häuser, für die Idylle in ihren Dörfern, gegen den Fluglärm in ihrem eigenen Garten.
Es ist einer von über 30 Erörterungsterminen an diesem Werktagmorgen im "Ballhaus-Forum" in Unterschleißheim bei München. Die vom Freistaat Bayern kontrollierte Betreibergesellschaft möchte eine dritte Startbahn bauen und die Kapazität des Flughafens erhöhen. Dagegen protestieren die Menschen in der Region seit Jahren. Die Quittung bekam die CSU bei der Landtagswahl. Im besonders betroffenen Freising, einer klassischen CSU-Hochburg, holten die Grünen ihr bestes Ergebnis. Die CSU verlor massiv. So wie auch in anderen Regionen, die unter Großprojekten aus der Edmund-Stoiber-Ära leiden. Nach dem Wahldebakel versprach die abgestürzte CSU einen neuen Politikstil. Doch es wird eifrig weitergebaut.
60.000 Bürger haben Beschwerde gegen den Flughafenausbau eingelegt. Die wurden in den vergangenen Wochen in Unterschleißheim verhandelt. An diesem Morgen setzt sich eine Hausfrau aus Marzling bei Freising hinter das dünne Mikrofon. Sie fürchte sich vor dem Lärm und der Abgasbelastung, sagt sie. Flughafenmitarbeiter projizieren Powerpoint-Folien mit grauen Diagrammen an die Leinwand. Der errechnete Dauerschallpegel sei weit entfernt von den im Fluglärmgesetz festgelegten Grenzwerten, erklären sie trocken. Da könne man halt nichts machen.
"Das ist eine Farce", meint Hartmut Binner, einer der Sprecher des Aktionsbündnisses "Aufgemuckt". Im Sommer organisierte Binner in München eine große Demonstration gegen den Flughafen und andere Projekte, fast 10.000 Menschen aus ganz Bayern kamen. Doch geändert habe sich nichts, sagt Binner.
Das sieht auch Jakob Baumgartner von der Aktionsgemeinschaft gegen den Bau der Autobahn 94 so. Seit 1977 will die Staatsregierung die Autobahn von München nach Passau durch das Isental bauen. Seit 1977 wehren sich die Bürger. Vollendete Tatsachen gibt es jedoch erst seit diesem Winter. Vor wenigen Wochen wurde mit dem Bau der ersten sechs Kilometer begonnen.
Dabei brachte vor allem die Beteiligung der FDP an der neuen bayerischen Regierung anfangs neue Hoffnungen für zahlreiche Bürgerinitiativen. Die FDP wollte in den Koalitionsverhandlungen einen radikalen Ausbau der Donau für den Schiffsverkehr verhindern. Doch die Mehrheit in der CSU besteht weiterhin auf Staustufen und Beton. Eine Lösung des Streits soll ein EU-gefördertes Gutachten für 33 Millionen Euro bringen. Die Ergebnisse liegen erst 2012 vor - am Ende der Legislaturperiode.
Den Ausbau des Flugplatzes in Oberpfaffenhofen zum Landeplatz für Business-Jets schien die FDP sogar verhindert zu haben. Im Dezember verkündete der neue Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), man habe das umstrittene Projekt aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen. Doch das Planungsverfahren läuft weiter. Ein alter Bescheid, der den Ausbau genehmigt, wurde bislang nicht zurückgenommen. "Wir sind etwas enttäuscht", sagt Rudolf Ulrich, der Vorsitzende der Bürgerinitiative "Fluglärm e. V.".
Nicht nur der Bürgerprotest perlt an der bayerischen Regierung und ihrem Streben nach wuchtiger Infrastruktur ab. Auch die Folgen der Wirtschaftskrise können nichts an den Plänen ändern. Am Münchner Flughafen ist die Zahl der Fluggäste zum Jahresanfang um über 10 Prozent zurückgegangen.
Das zuständige Finanzministerium teilt jedoch mit: "Der Bedarf für die 3. Bahn muss langfristig beurteilt werden und ist durch die aktuellen Rückgänge nicht in Frage gestellt." Die "Wachstumsdynamik" des Flughafens sei durch die Weltkrise nicht beeinträchtigt.
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