Baumdaten: So geht es den Bäumen in Berlin
Erstmals sind die Detail-Daten über den Zustand der Bäume in Berlin öffentlich.
Im Jahr 2007 haben die Förster in Berlin für den Waldzustandsbericht 984 Bäume untersucht. Die dabei entstandenen Daten stehen alle in dieser Baumdaten-Datei (XLS-Format).
Viele Angaben in der Datei sind codiert. So stehen in der Zeile "Baumart" etwa keine Namen, sondern Nummern. Die 51 steht dabei etwa für die Stieleiche, die 71 für die Flatterulme. Zum Verständnis der Daten ist noch eine Liste der verwendeten Codes (PDF) notwendig. In der Datei mit den Baumdaten ist insbesondere die Spalte zur "Kronenverlichtung" relevant: Dort ist eingetragen, zu wie viel Prozent die jeweilige Baumkrone kahl ist. "100" bedeutet dabei, dass die Baumkrone gar keine Blätter mehr hat.
Die Landesforstanstalt Eberswalde hat die Rohdaten zusammen mit anderen Daten zu dem offiziellen Waldzustandsbericht zusammengefasst. Darin steht jedoch zum Beispiel kein Vergleich zwischen dem Zustand der Bäume im Westen und im Osten Berlins. Die taz hat auf Grundlage einer eigenen Auswertung der Daten erstmals so einen Vergleich veröffentlicht.
Die relevanten Gesetze
Die Auskunftspflicht der Behörden basiert auf der cs&page=1&hwords=null:EU-Richtlinie 2003/4/EG. Darin werden alle Mitgliedstaaten verpflichtet, Daten über den Zustand der Umwelt auf Anfrage zu veröffentlichen. Diese Transparenz, so steht es in der Richtlinie, trage dazu bei, „das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern". Daher müsse „gewährleistet werden, dass jede natürliche oder juristische Person ohne Geltendmachung eines Interesses ein Recht auf Zugang zu bei Behörden vorhandenen oder für diese bereitgehaltenen Umweltinformationen hat". Als Umweltinformationen gelten alle Daten über „den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume". Sowohl der Bund als auch die Bundesländer haben die Vorgaben der Richtlinie umgesetzt und in ihren jeweiligen Gesetzen weiter konkretisiert. Wer von einer Bundesbehörde Informationen möchte, muss sich auf das Umweltinformationsgesetz des Bundes berufen. Für das Land Berlin ist der Auskunftsanspruch in § 18a des Informationsfreiheitsgesetzes (PDF) geregelt, Brandenburg hat ein eigenes Umweltinformationsgesetz erlassen. In den Gesetzen ist auch geregelt, wie sich Bürger gegen eine Ablehnung des Antrages wehren können. Im ersten Schritt kann Widerspruch bei der Behörde eingelegt werden, wenn auch das nicht hilft bleibt noch eine Klage vor den Verwaltungsgerichten.
So stellt man einen Antrag
Der Antrag kann formlos gestellt werden, es muss also kein bestimmtes Formular ausgefüllt werden. In dem Antrag sollte so exakt wie möglich beschrieben werden, welche Informationen genau gesucht werden. Hier als Beispiel die E-Mail, mit der die taz bei der Landesforstanstalt Eberswalde Informationen über den Zustand der Bäume in Berlin beantragte:
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Waldzustandsbericht 2007 der Länder Berlin und Brandenburg heißt es auf Seite 7: "In Berlin wird die Waldzustandsentwicklung seit 1991 in einem einheitlichen Stichproben-Netz beobachtet. Die Netzdichte variierte in den einzelnen Aufnahmejahren, seit 2001 wird der Kronenzustand der Waldbäume im 2 km x 2 km Netz an gegenwärtig 41 Stichprobenpunkten in den Landesgrenzen Berlins aufgenommen."
Ich wandte mich mit dem Ansinnen, einen Antrag gemäß Umweltinformationsgesetz zu stellen, zunächst an die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, um zu erfragen, ob dort die Rohdaten vorliegen, aus denen dann der Waldzustandsbericht erstellt wird. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilte mir mit, dass die Daten von der LFE Brandenburg zu dem Bericht verarbeitet werden.
Damit stelle ich nun bei Ihnen diesen Antrag nach Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg in Verbindung mit dem Umweltinformationsgesetz des Bundes. Ich beantrage die Zugänglichmachung der Rohdaten der 41 Stichprobenpunkte innerhalb Berlins, aus denen dann der Waldschadensbericht erstellt wird. Der Antrag bezieht sich dabei auf die Daten des Jahrganges 2007.
Ich gehe davon aus, dass die Daten bei Ihnen in digitaler Form vorliegen und beantrage gemäß § 3 Absatz 2 des Umweltinformationsgesetzes des Bundes die Überlassung einer digitalen Kopie.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Heiser
Der lange Weg zu den Rohdaten
Wer das Umweltinformationsgesetz nutzt, um an Daten über Umweltinformationen zu gelangen, stößt häufig auf Widerstände. Das zeigt auch der Antrag der taz auf Einblick in die Baumdaten. Die für die Wälder in Berlin zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte die Daten zunächst nicht herausgeben. Der zuständige Mitarbeiter antwortete, dass „nach einer bundesweiten Absprache von keiner Forstinstitution in Deutschland die Rohdaten herausgegeben" werden. Als Begründung dafür sollte ausgerechnet auch die EU herhalten. Die Daten seien teilweise Bestandteile von Forschungsprojekten und „teilweise durch die EU finanziert, so dass auch aus Gründen des Forschungsschutzes und der Geldgeberinteressen keine Datenherausgabe oder -Abschrift möglich ist".
Verhindert die EU wirklich durch ihre Mitfinanzierung des Projektes, dass die Daten entgegen dem Wortlaut der EU-Richtlinie nicht veröffentlicht werden dürfen? Corinna Zöllner von der Vertretung der EU-Kommission in Berlin weist das zurück. Die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung genannte Begründung „ist keine rechtliche Begründung. Ob Rohdaten herausgegeben werden müssen, richtet sich nach deutschem Recht." Also in Berlin nach dem Informationsfreiheitsgesetz.
Die taz probierte im nächsten Schritt, bei der Landesforstanstalt Eberswalde an die Daten zu kommen. Dort werden die Daten der einzelnen Bäume zum Waldschadensbericht zusammengefügt. Der zuständige Mitarbeiter antwortete, es sei vertraglich festgelegt, "dass die Datenhoheit bei den Berliner Forsten liegt" (die Berliner Forste unterstehen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und von dort habe es ja schon eine Absage gegeben: „Sie werden nicht ernsthaft erwarten, von uns die Daten unseres Vertragspartners ohne dessen ausdrückliche Zustimmung zu erhalten."
Kann eine Behörden wirklich einen Vertrag abschließen, in dem sie festlegt, dass die vom Parlament festgeschriebene Pflicht zur Transparenz für sie nicht gelten soll? Lassen sich Gesetze so einfach aushebeln? Die taz legte gegen die ablehnende Entscheidung Widerspruch ein. Erst daraufhin – gut einen Monat nach der ersten Anfrage – kam dann doch noch die ersehnte Auskunft. Per E-Mail kam die Tabelle mit Details zu den 984 einzelnen Bäumen, die die Förster in Berlin untersucht hatten. In dem Begleitschreiben hieß es: „Durch das Land Berlin wurde mir nach Rücksprache gestattet, die Daten in anliegender Form weiterzugeben."
Diese Formulierung hört sich so an, als sei das ein Gnadenakt der Verwaltung gewesen, doch tatsächlich ist es ein Rechtsanspruch, den alle Bürger haben – nicht nur Journalisten. Daher haben wir auf dieser Seite Informationen darüber zusammengestellt, wie Bürger diesen Auskunftsanspruch nutzen können.
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